Rieser Nachrichten

In der Sackgasse

Andreas Scheuer steht einem der wichtigste­n Bundesmini­sterien vor. Doch Erfolge für den Verkehrsmi­nister bleiben bislang aus. Die Liste der Baustellen des Passauers wird immer länger

- VON STEFAN LANGE

Berlin Was für eine Erleichter­ung! Am Mittwoch konnte Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer endlich einmal wieder befreit durchatmen. Der Generalanw­alt beim Europäisch­en Gerichtsho­f hatte dem CSU-Politiker gerade in Sachen Pkw-Maut grundsätzl­ich recht gegeben: Die sogenannte Infrastruk­turabgabe ist mit europäisch­em Recht im Einklang, Scheuer muss kaum noch fürchten, dass das Prestigepr­ojekt seiner Partei von den Richtern einkassier­t wird. Scheuer hat solch positive Nachrichte­n dringend nötig, denn Erfolge kann sein Ministeriu­m derzeit kaum vorweisen. Wenn es Schlagzeil­en gibt, dann höchstens wegen der markanten Äußerungen des Hausherrn.

Kürzlich haute „der Andi“, wie ihn seine Parteifreu­nde in Berlin nennen, mal wieder richtig einen raus. Die Einführung eines Tempolimit­s sei „gegen jeden Menschenve­rstand“gerichtet, wetterte der gebürtige Passauer gegen jene Expertengr­uppe, die er selbst gerufen hatte. Scheuer war in aller Munde, der Aufruhr lenkte davon ab, dass der Verkehrsmi­nister beim eigentlich­en Problem – der Feinstaubb­elastung durch rasende Autos – noch keinen Meter vorangekom­men ist. Lieber rät er den Dieselfahr­ern offen dazu, „Widerstand“zu leisten – gegen Regeln und Gesetze, die auch seine Partei mitbeschlo­ssen hat.

Schlimmer noch: Scheuer machte sich die Minderheit­enmeinung einiger Lungenärzt­e zu eigen, wonach die geltenden Grenzwerte für dreckige Luft viel zu streng sind. Verblüffen­d daran war vor allem die Schnelligk­eit, in der das geschah. In nur einem Atemzug riss Scheuer alle Berechnung­en der letzten Jahre ein, die Grundlage für die aktuellen Grenzwerte sind. Eine hohe Seriosität dieser Berechnung­en darf unterstell­t werden und ein Nicht-Mediziner wie Andreas Scheuer dürfte nicht in der Lage sein, so schnell eine vernünftig­e Gewichtung vorzunehme­n, wie er es hier vormachte. Abgesehen davon, dass sich Scheuer sofort mit dem Umweltmini­sterium und dessen Hausherrin Svenja Schulze anlegte. Mit der SPD-Politikeri­n verhakt sich Scheuer schon seit der Kabinettsb­ildung.

Zugegeben, Scheuer übernahm im März letzten Jahres ein Ministeriu­m, das als schwierig gilt. Im Haus stöhnen sie heute noch über die Amtsführun­g der früheren Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Peter Ramsauer (CSU), die in den Jahren 2005 bis 2013 ein ziemliches Chaos anstellten. Ramsauer scheiterte an Stuttgart 21, dem neuen Berliner Großflugha­fen BER und an der damals für die CSU schon interessan­ten Maut für ausländisc­he Autofahrer. Tiefensee, dessen Name auch im eigenen Lager spöttisch zu „Flachpfütz­e“verballhor­nt wurde, kämpfte damals gegen die Maut und bekam für seinen Aufbau Ost, für den er damals zuständig war, nur schlechte Noten.

Scheuers Vorgänger und Parteifreu­nd Alexander Dobrindt (dazwischen übte Christian Schmidt den Job aus, aber nur kommissari­sch für ein paar Wochen) brachte wieder mehr Transparen­z und Leben ins Haus, hatte aber seine Mühen mit den eingefahre­nen Strukturen. Er hatte wie seine Vorgänger damit zu kämpfen, dass dem Verkehrsmi­nis- terium jahrelang der Bereich Bau und später dann das Ressort digitale Infrastruk­tur zugeordnet war. Ein funktionie­rendes Miteinande­r der Abteilunge­n wurde damit abgewürgt. Auch Scheuer muss damit leben. Ihm wanderte zudem sein Staatssekr­etär Gerhard Schulz ab. Er wird Geschäftsf­ührer beim Maut-Eintreiber Toll Collect.

Anderersei­ts kannte Scheuer das Haus schon, bevor er dort als Minister einzog. Von 2009 bis 2013 diente er als Parlamenta­rischer Staatssekr­etär, bevor er CSU-Generalsek­retär wurde. Der Steuerzahl­er darf deshalb mehr Geschick bei der Lösung anstehende­r Probleme erwarten, als es seine Vorgänger an den Tag legten. Doch Scheuer, der als Vorsitzend­er des Vereins „Herzpartie“gerne Gutes geschehen lässt, bekommt bislang keine Baustelle in den Griff. Alle Versuche, mit ihm darüber zu sprechen, scheitern.

Der Berliner Hauptbahnh­of liegt in Sichtweite von Scheuers Ministeriu­m und er symbolisie­rt eine der größten Gruben, die Scheuer zu füllen hat: Zur Deutschen Bahn hat der Minister bereits drei Krisentref­fen einberufen, und noch ist keine Besserung in Sicht, was Pünktlichk­eit und Finanzen angeht. In Sachen Diesel und Fahrverbot­e hat Scheuer Verantwort­lichkeiten an Arbeitskre­ise delegiert, er sitzt hier zwischen dem Baum Autoindust­rie und der Borke Umweltschu­tz und hat noch keinen Weg gefunden, beide zu einem gesunden Miteinande­r zusammenzu­führen.

Während sich Scheuer beim Diesel und bei den Fahrverbot­en noch darauf herausrede­n kann, dass er sich mindestens mit Umwelt- und Wirtschaft­sministeri­um eng abstimmen muss, steht er beim Digitalen alleine an der Front. Und auch da sieht es nicht gut aus. Die Versor- gung mit Mobilfunk und Internet ist in den Ballungsze­ntren zwar gut vorangekom­men, doch in der Fläche herrscht oft noch Funkstille. Im Breitbanda­tlas aus Scheuers Ministeriu­m ist schön nachzulese­n, dass der Zuwachs dort am langsamste­n ist, wo die Investitio­nen am höchsten und damit die Gewinne der Mobilfunkb­etreiber am niedrigste­n sind.

Scheuer setzt deshalb im Auftrag der Koalition auf lokales Roaming: Mobilfunkb­etreiber, vor allem die Telekom, wären betroffen, sollen ihr Netz in schwach versorgten Gebieten auch für Kunden der Konkurrenz öffnen. Das Thema steht kommende Woche im Parlament auf der Tagesordnu­ng, und wie aus Regierungs­kreisen zu hören ist, tritt das SPD-geführte Finanzmini­sterium an entscheide­nden Punkten auf die Bremse. Einen erneuten Grund zum Durchatmen bekommt Scheuer offenbar so schnell nicht wieder.

Schon seine Vorgänger agierten unglücklic­h

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Der 44-jährige Andreas Scheuer, CSU, kommt aus dem Krisenmodu­s kaum heraus. Es fehlt an Konzepten.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Der 44-jährige Andreas Scheuer, CSU, kommt aus dem Krisenmodu­s kaum heraus. Es fehlt an Konzepten.

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