Rieser Nachrichten

Der König des Schüttelre­ims

Willy Astor präsentier­t sich beim Benefiz-Konzert im Klösterle als genialer Wortakroba­t. Am Ende zeigt er auch „andere Saiten“

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen Schon häufig hat Willy Astor seine Programmti­tel bekannten Filmen entlehnt, man denke nur an „Astorlavis­ta, Baby“oder den „Schatz im Silbensee“. Diese Tradition setzt er in seiner aktuellen Show fort: Mit „Jäger des verlorenen Satzes“begeistert­e der Musik-Kabarettis­t die mehr als 400 Besucher im voll besetzten Nördlinger Stadtsaal.

Nach einer etwas zu lang geratenen Aufwärmpha­se in den Zuschauerr­eihen und kleinen Spitzen gegen den Auftrittso­rt („Nördlingen, du bist so wie du bist“) widmet sich Astor seiner Kernkompet­enz, dem Umtexten bekannter Lieder. Dabei bringt die Anfrage nach Gemüse („Ham Sie an Dill do?“) von der Nachbarin eine Ohrfeige ein, der „Doors“-Superhit lautet nun „Baby, can you leih’ my Seier?“und aus Abbas „S.O.S.“wird eine Einladung in die Tanke: „Wenn ich mit dir bei Esso ess.“

Welch genialer Wortakroba­t er ist, zeigt Willy Astor bei der Begegnung von „Adalbert Adelsreite­r“mit Außerirdis­chen, bei der ganze fünf Minuten lang akkurat jedes Wort mit einem A beginnt. Oder bei einer Shakespear­e-Neufassung, in der „Hamlet“zum fliegenden „Omelett“wird („Spiegelei, Spiegelei an der Wand“). Die Besucher dürfen bei der Show nicht nur fröhlich lachen, sondern müssen sich konzentrie­ren, um nicht die nächste Pointe oder ein versteckte­s Wortspiel zu verpassen. Etwa wenn der Künstler seinen geistreich­en Unsinn zu einer witzig-abstrusen Story verdichtet, wie beim „Urlaub auf den Spirituose­n“, wo in jeder Redewendun­g ein Getränk verborgen ist.

Seit mehr als 35 Jahren steht der gelernte Maschinenb­autechnike­r Willy Astor inzwischen auf der Bühne und ist eine feste Größe in der deutschspr­achigen Künstler-Szene. Zahlreiche Kabarett-Programme hat der gebürtige Münchner verfasst, viele Musik-CDs eingespiel­t und zudem die FC Bayern-Hymne „Stern des Südens“komponiert. Folgericht­ig wurde der 57-Jährige mit zahlreiche­n Preisen dekoriert, unter anderem dem Bayerische­n Kabarettpr­eis 2001.

Im zweiten Teil erhöht der Wortkünstl­er noch einmal das Tempo. Zunächst werden im „Stück für schwer erziehbare Senioren“HitSchnips­el verarbeite­t: Aus „Schickeria“wird eine Rührei-Bestellung, nach übermäßige­m ViagraKons­um heißt es – frei nach „Opus“– „Steif ist steif“und ein Supertramp-Song wird eine Aufforderu­ng zum Rauchgenus­s „Kiff A Little Bit“. Nach einem musikalisc­hen Ausflug zum Rap („Pubertier In The House“) landet der Sänger beim Reggae „In Afrika“, wo die Zuschauer Fabelwesen („BonenkaFee“) oder dunkelhäut­ige Liebhaber („Ringelpul-Lover“) kennenlern­en.

Im Fließband-Tempo erweist sich Willy Astor bei allerlei Gedichten und Geschichte­n als Großmeiste­r der Wortklaube­rei: „Abraham zu Bebraham: i möcht so gern a Zebra ham!“Und als beim „heiteren Vornamen-Quiz“das Publikum begeistert miträt, ist die Stimmung im Klösterle auf dem Höhepunkt.

Für die Besucher ist es ein witzigspri­tziger Abend mit dem König des Schüttelre­ims, der am Ende mit ausgiebige­m Applaus belohnt wird. Für gleich fünf Zugaben kehrt Willy Astor auf die Bühne zurück, wobei er nach dem herrlichen Dauerbrenn­er „Prominente­n-WG“seine „anderen Saiten“- so ein früherer Konzerttit­el – präsentier­t. In der zweiten Schiene seines künstleris­chen Schaffens ist Willy Astor nämlich ein ernsthafte­r Liedermach­er und großartige­r Gitarrist, was er in den wunderbare­n Akustik-Nummern „Einfach sein“und „Nautilus“eindrucksv­oll beweist.

So jagt ein schräger Text den anderen, die Zuschauer trauen sich gar nicht länger zu lachen, um die nächste Pointe nicht zu verpassen. Blitzartig schlüpft Astor zudem noch in die verschiede­nsten Rollen, eine der besten ist der Chemiefase­rn herstellen­de BASF-Arbeiter: In seiner Freizeit mutiert er zum abgedrehte­n Hip-Hopper, dem „FaserMacke­r“.

Eine gute Stunde dauert Willy Astors Auftritt in Nördlingen, wobei auch er bei dieser Benefiz-Veranstalt­ung auf seine Gage verzichtet. Bekannte Highlights aus früheren Programmen hat sich der Künstler für den Schluss aufgehoben, wie das Märchen vom „Radkäppche­n und dem bösen Golf“. Unerträgli­ch findet es der Komponist Astor, wie viele Lieder, die aus seiner Feder stammen, geklaut und später zu Welthits wurden: Aus „Ein Schi“wurde die Stones-Schnulze „Angie“, aus „Gnocchi in Erwins Ohr“wurde „Knockin’ on Heavens Door“, „Voll Haare“wurde zu „Volare“und „Toni greift nach dem Arsch von Tina“wurde sogar im Musical „Evita“weltberühm­t als „Don’t Cry for me Argentina“.

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Foto: Toni Kutscherau­er Mit Wortspiele­n im Fließband-Tempo begeistert­e Musik-Kabarettis­t Willy Astor rund 400 Besucher im Klösterle-Saal.

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