Marihuana in der Hecke versteckt
Bei einer Razzia in einer Asylunterkunft findet die Polizei Drogen. Ein 26-Jähriger stand deshalb jetzt in Nördlingen vor Gericht
Nördlingen Vor fast genau zwei Jahren hat die Nördlinger Polizei eine Razzia in einer Asylbewerber-Unterkunft in Nördlingen durchgeführt. Die Beamten wurden fündig, stellten in der Gartenhecke und im Boden vergraben Marihuana in zwei größeren Tüten zu je rund 20 Gramm und in 51 Ein-Gramm-Portionen sicher. Auf den großen Tüten waren die Fingerabdrücke eines heute 26-jährigen Asylbewerbers, der allerdings in München gemeldet war.
Nach dem Fund in Nördlingen durchsuchte die Polizei in München die dortige Unterkunft des 26-Jährigen und fand keine Drogen, aber zwei elektronische Feinwaagen. Im Oktober vergangenen Jahres war eine Verhandlung gegen ihn vor dem Nördlinger Amtsgericht angesetzt, doch er blieb ihr unentschuldigt fern. Daraufhin erging Haftbefehl gegen den Mann, und am 21. Januar konnte ihn die Polizei schließlich fassen, als er von Offenburg nach München fahren wollte. Seitdem sitzt er in U-Haft; zum Prozess vor dem Schöffengericht am Nördlinger Amtsgericht unter Vorsitz von Richterin Ruth Roser wurde er von zwei uniformierten Beamten der Justiz-Vollzugsanstalt Gablingen vorgeführt.
Der junge Mann zeigte sich geständig, gab aber nur zu, was man ihm ohnehin mit Sicherheit hätte nachweisen können, wie es Richterin Roser formulierte.
Es ging also um die zwei größeren Päckchen mit den Fingerabdrücken; mit den 51 kleineren Päckchen, auf denen keine Spuren sichergestellt werden konnten, wollte er nichts zu tun haben. Zwischen der eingeräumten Menge und der Gesamtmenge der sichergestellten Drogen gab es einen entscheidenden Unterschied: Im Marihuana, das man ihm nachweisen konnte, befanden sich 4,86 Gramm des entscheidenden Wirkstoffes THC, deutlich unter der Grenze von 7,5 Gramm, was juristisch als „nicht geringe“Menge gilt. Der Angeklagte gab einen Eigenbedarf pro Tag an, wonach die Menge dann etwa einem Wochenbedarf entsprochen hätte. Damit wäre der Tatbestand des Drogenbesitzes in geringer Menge erfüllt. Staatsanwältin Dr. Kerstin Reitlinger plädierte aber auf das wesentlich schwerere Delikt des Drogenhandels in nicht geringer Menge. Ihre Argumentation: Sowohl alle gefundenen Drogen waren laut Wirkstoffgutachten der rechtsmedizinischen Abteilung am Klinikum Ulm von der Zusammensetzung her identisch, als auch die Verpackungen und das Versteck. Damit konnten sie in den Augen der Staatsanwältin allesamt dem Angeklagten zugeschrieben werden – diese Menge hätte 9,6 Gramm THC beinhaltet, was klar als nicht geringe Menge gilt. Die bei der zweiten Durchsuchung gefundenen elektronischen Feinwaagen dienten eindeutig zum Abpacken für den Verkauf; zum Eigenbedarf sei so etwas nicht nötig.
Richterin Roser und die beiden Schöffen folgten jedoch der Argumentation des Pflichtverteidigers Bernd Hegendörfer, der nur das gelten lassen wollte, was klar bewiesen war und nichts aus „dem Reich der Spekulation“. Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes einer geringen Menge an Drogen zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung. Richterin Ruth Roser erklärte, sie und die Schöffen sahen nicht die für eine Bewährungsstrafe nötige günstige Sozialprognose – der Angeklagte war im Oktober untergetaucht, hatte seit einem Jahr die Sprachschule nicht besucht. Er halte sich also als Asylbewerber nicht an seine Auflagen und sein Geständnis sei nicht von Einsicht oder Reue getragen gewesen, sondern eben nur auf das, was ohnehin klar nachgewiesen war. Pflichtverteidiger Hegendörfer kündigte am Rande des Verfahrens an, in Berufung zu gehen.