Rieser Nachrichten

Diesel-Skandal: Die Rechenfehl­er der Lungenärzt­e

Mediziner kritisiere­n Grenzwerte. Doch nun müssen sie zurückrude­rn

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Berlin Nach ihrer Kritik an den Grenzwerte­n für Luftschads­toffe in einer Stellungna­hme vor gut drei Wochen haben Lungenärzt­e um Dieter Köhler Fehler in ihren Berechnung­en eingeräumt. An der Gesamtauss­age, dass die gesundheit­lichen Risiken durch Stickoxide und Feinstaub und die darauf basierende­n Grenzwerte wissenscha­ftlich nicht hinreichen­d begründet seien, ändere sich jedoch nichts. Über die Rechenfehl­er in der Stellungna­hme hatte zunächst die taz berichtet.

Die Experten um Köhler hatten bei ihrer Kritik an den Grenzwerte­n unter anderem erläutert, ein Raucher nehme bei einem Päckchen pro Tag in wenigen Monaten die gleiche Menge Feinstaub und Stickoxid auf, wie ein 80-jähriger Nichtrauch­er im Leben mit der Außenluft einatmen würde – soll heißen: So groß ist das Risiko durch diese Schadstoff­e nicht, sonst müssten die meisten Raucher nach wenigen Monaten sterben. Doch in der Rechnung stecken Fehler, verursacht durch fehlerhaft­e Umrechnung­en und falsche Ausgangswe­rte, wie es in dem Bericht der taz heißt. Folge man der Logik Köhlers und korrigiere die Fehler, nehme ein Raucher durch Zigaretten erst in gut sechs bis 32 Jahren eine Stickstoff­dioxid-Menge auf wie ein 80-jähriger Nichtrauch­er zeit seines Lebens beim Einatmen von Außenluft.

Bereits zuvor hatten Experten betont, der Vergleich zwischen einer anhaltende­n Belastung wie etwa durch verschmutz­te Luft und einer vorübergeh­enden hohen Belastung etwa beim Rauchen sei nicht zulässig. Auch die zur Berechnung herangezog­enen Feinstaub-Werte im Zigaretten­rauch seien falsch, heißt es in dem Zeitungsbe­itrag weiter. Sie errechnete­n sich aus dem Kondensatg­ehalt der Zigaretten – umgangsspr­achlich Teer genannt –, für den es bereits seit 15 Jahren EUweit einen deutlich niedrigere­n Grenzwert gebe. Insbesonde­re diese Berechnung­en korrigiert­e das Team um Köhler nun in einer Ergänzung zu der Stellungna­hme, an der Grundaussa­ge aber halten die Fachärzte fest. „Insgesamt ändern diese kleinen Korrekture­n natürlich nichts an der Gesamtauss­age, dass die sogenannte­n hunderttau­sende von Toten durch Feinstaub und NO2 sowie die daraus verursacht­en Krankheite­n in Europa nicht plausibel sind“, teilte Köhler mit.

Die Veröffentl­ichung der Stellungna­hme, die insgesamt nur rund 130 von 3800 angeschrie­benen Lungenärzt­e

Massive Kritik kam auch von Fachkolleg­en

unterschri­eben hatten, hatte eine breite öffentlich­e Debatte über die Sinnhaftig­keit der geltenden Grenzwerte ausgelöst. Während Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer die Initiative begrüßte und eine „ganzheitli­che Sichtweise“anmahnte, wiesen das Bundesumwe­ltminister­ium und die Grünen die Kritik der Lungenärzt­e zurück. Massiver Widerspruc­h kam auch von Fachkolleg­en. So betonten pneumologi­sche Fachgesell­schaften und Berufsverb­ände, die Gefährlich­keit von Luftschads­toffen wie Stickoxide­n für die Gesundheit sei grundsätzl­ich gut belegt.

Die Grenzwerte seien so gewählt, dass selbst für chronisch Kranke negative Effekte ausgeschlo­ssen werden können, hieß es auch vom Forum der Internatio­nalen Lungengese­llschaften (Firs), das internatio­nale Standards nachdrückl­ich unterstütz­e. Die auf EU-Ebene festgelegt­en und auf Empfehlung­en der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO basierende­n Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide sind Grundlage für Fahrverbot­e.

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Foto: dpa Seriös gerechnet? Lungenarzt Dieter Köhler steht in der Kritik.

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