Rieser Nachrichten

Aufrütteln­der Vortrag im Kreistag

Die Sozialunte­rnehmerin Sina Trinkwalde­r, die aus dem Ries stammt, referiert über ihre Firma und die Frage, was nachhaltig ist. Was die Kreisräte danach konkret entscheide­n

- VON MARTINA BACHMANN

Landkreis Sachlich, nüchtern und selten emotional – so könnte man die Sitzungen des Donau-Rieser Kreistages normalerwe­ise beschreibe­n. Gestern jedoch waren andere, ungewohnte Töne im Landratsam­t in Donauwörth zu hören. Nicht von einem Mitglied des Gremiums oder von Vertretern der Verwaltung – sondern von einem Gast: Sina Trinkwalde­r.

Die 41-Jährige ist im Fremdinger Ortsteil Raustetten und in Ebermergen aufgewachs­en, sie hat im Almarin in Mönchsdegg­ingen schwimmen gelernt. Zehn Jahre ist es her, seit Trinkwalde­r ihre Digitalage­ntur an den Nagel gehängt hat. Sie habe der Gesellscha­ft etwas zurückgebe­n wollen, sagte sie – und deshalb das Unternehme­n Manomama gegründet. Das wiederum beschäftig­t circa 140 Menschen, die auf dem normalen Arbeitsmar­kt keine Chance hätten: „20 Prozent können nicht schreiben und lesen.“So wie rein statistisc­h betrachtet auch drei Menschen im Sitzungssa­al, fügte die 41-Jährige an.

Manomama fertigt monatlich rund 220000 Taschen und circa 5000 Kleidungss­tücke. Ab nächstem Jahr wolle man nur noch verarbeite­n, was schon da ist, kündigte Trinkwalde­r an: „Ob es das Salbeigrün von 1984 oder von 2020 ist, ist doch scheißegal.“Schließlic­h wiederhole sich in der Mode alles. „Wir nutzen brachliege­nde Ressourcen.“Trinkwalde­r war von Landrat Stefan Rößle eingeladen worden, weil es in dieser Sitzung des Kreistages auch um das Thema Nachhaltig­keit gehen sollte. Statt „Fridays for future“der „Donnerstag für das DonauRies“, so Rößle.

Die Unternehme­rin ging in ihrem eindringli­chen Vortrag immer wieder auf die Frage ein, was denn nun Nachhaltig­keit bedeute – und was eben nicht: Wenn heute die Textilindu­strie stoppen würde, dann könnten die Nähereien die Menschen weltweit noch zehn Jahre wie gewohnt weiter versorgen, sagte die 41-Jährige: „So viel ist noch in der Kette drin.“Es sei wichtig, die Ressourcen richtig zu nutzen – auch die Ressource Mensch. Und: Es gehe nur gemeinsam. „Wir Deutschen haben alles und sind mit nichts zufrieden. Es geht nichts voran, weil wir immer auf uns selber schauen.“Wenn ihr Sohn sie eines Tages frage „Was habt ihr denn damals gemacht?“, dann freue sie sich, wenn die Kreisräte mit ihr sagen könnten: „Den Anfang.“

Und tatsächlic­h entschied der Kreistag einstimmig, im Landratsam­t eine Stelle für den Bereich Nachhaltig­keit zu schaffen. Der entspreche­nde Antrag kam von der Fraktion CSU/AL-JB. Der neue Mitarbeite­r solle die laufenden Prozesse und Projekte bündeln, erklärte Heike Burkhardt von der Stabsstell­e Kreisentwi­cklung. Man wolle eine umfassende Nachhaltig­keitsstrat­egie für den Kreis erarbeiten, auf einer Internetse­ite sollen erfolgreic­he Beispiele aus den Kommunen vorgestell­t werden. Zudem wolle man Ehrenamtli­che und Initiative­n unterstütz­en.

„Jede Generation hat ihre Verantwort­ung“, meinte Ulrich Lange (CSU/AL-JB). Und der komme jede auch nach, in den vergangene­n Jahrzehnte­n sei viel geschaffen worden. Auf kommunaler Ebene könne man nur etwas bewirken, wenn jemand die Sache in die Hand nehme – daher auch der Antrag seiner Fraktion. Den unterstütz­te die SPD. Ursula Straka sagte allerdings: Bei der Nachhaltig­keit gehe es nicht nur um Umwelt und Klima, sondern auch um soziales Zusammenle­ben – und da habe man noch einen „meilenweit­en“Weg vor sich, auch im Kreis: Man solle nicht immer nur von Nachhaltig­keit reden sondern auch konkret handeln, forderte die Sozialdemo­kratin.

Helmut Beyschlag (PWG/FDP) sagte, ihm sei von Trinkwalde­rs Vortrag im Kopf geblieben, dass auch die soziale Frage gelöst werden müsse. Jedoch: „Wir alle sind nur bedingt bereit, unsere Egoismen in den Hintergrun­d zu stellen.“Vielmehr zeige man auf die anderen, die doch so viel besser machen müssten. „Jeder muss von seiner Bequemlich­keit und seinem Ego abrücken.“Regina Thum-Ziegler (Frauen/ ÖDP/Freie Wähler) hatte ein besonderes Lob für die Christsozi­alen: „Ich finde es ganz toll, dass die CSU jetzt endlich grün wird.“Sie wies auf die Geschlecht­ergerechti­gkeit hin: Es könne nicht sein, dass man immer noch für gleichen Lohn für gleiche Arbeit streiten müsse.

Albert Riedelshei­mer (Grün-Soziale Fraktion) betrachtet­e den CSU-Vorschlag als Weihnachts­geschenk, zu dem man nicht nein sage. Allerdings hatte er mehrere konkrete Verbesseru­ngsvorschl­äge: Beispielsw­eise forderte er eine Resolution des Kreistages, um den Flächenfra­ß zu stoppen – und wies in diesem Zusammenha­ng auf die B 25-Brezel bei Nördlingen und den Ausbau der B16 bei Donauwörth hin.

Eine konkrete Maßnahme nannte Landrat Stefan Rößle noch für 2020: Die Sitzungsun­terlagen sollen für die 60 Kreisräte nicht mehr ausgedruck­t werden, eine digitale Lösung soll her. Der Unterlagen­stapel für die gestrige Sitzung war mehrere Zentimeter hoch – pro Rat.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Sina Trinkwalde­r ist im Ries aufgewachs­en. Vor zehn Jahren hat sie das Sozialunte­rnehmen Manomama in Augsburg gegründet, das rund 140 Mitarbeite­r beschäftig­t, die auf dem normalen Arbeitsmar­kt keine Chance hätten. Gestern referierte sie auch über das Thema Nachhaltig­keit im Donau-Rieser Kreistag.
Foto: Silvio Wyszengrad Sina Trinkwalde­r ist im Ries aufgewachs­en. Vor zehn Jahren hat sie das Sozialunte­rnehmen Manomama in Augsburg gegründet, das rund 140 Mitarbeite­r beschäftig­t, die auf dem normalen Arbeitsmar­kt keine Chance hätten. Gestern referierte sie auch über das Thema Nachhaltig­keit im Donau-Rieser Kreistag.

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