Er filmte Maos Trauerfeier und die Krisenherde der Welt
Hermann Engel war Kameramann und setzte sich dann für Oettingens St.-Anna-Kapelle ein. Wie er die Residenzstadt nun für ein Projekt begeistert
Ober-Olm/Oettingen Als einziger ausländischer Kameramann durfte er Maos Trauerzeremonie filmen, wurde von südamerikanischem Militär beschossen, filmte im VietnamKrieg. 30 Jahre lang war Hermann Engel als Kameramann für das ZDF in aller Welt unterwegs. Im Ruhestand initiierte er die Renovierung der St.-Anna-Kapelle in Oettingen, brachte nun ein Buch mit der Dokumentation der Grabmäler auf dem St.-Anna-Friedhof heraus.
Mit sieben Jahren wurde der heute 86-Jährige Vollwaise, wuchs mit einem seiner drei Brüder bei den Großeltern in Oettingen auf. Im Fotogeschäft seines Onkels Adolf Fischer machte er nach dem Besuch der Nördlinger Oberschule eine Lehre als Fotograf, schloss die Meisterprüfung in Köln an, arbeitete als Pressefotograf in Brüssel. Das aufkommende Fernsehen reizte ihn, er ergatterte eine Stelle als Kameraassistent beim WDR in Köln, wurde Kameramann, als sich sein Kollege bei einem Autounfall auf einer halbjährigen Afrika-Reportage verletzte. Als 1962 das Zweite Deutsche Fernsehen entstand, nutzte Hermann Engel die Chance für einen Karrieresprung und wurde einer der ersten ZDF-Kameramänner. Seine erste Reise führte ihn nach Tokio, zwei Tage nach seiner Hochzeit 1963 wurde er für acht Wochen auf die Philippinen und nach Malaysia abberufen. Seine Reportagen hatten oft politische Hintergründe: Aus Nordgrönland berichtete er über eine US-Militärstation im und unter dem Eis, er war in Taiwan, als sich das Land von China löste. In China war sein Kamerateam zufällig, als 1976 Mao Tse-tung starb. Sie wurden nicht ausgewiesen, sondern bekamen im Gegenteil ein Hotelzimmer, von wo aus Engel die Zeremonie mit zwei Millionen Gästen filmen konnte. Sieben Jahre lang lebte er mit seiner Frau in Washington; dort kam seine Tochter zur Welt. Er berichtete über Amerika, Kanada und Mexiko, wurde wochenlang von der CIA durchleuchtet, damit er zeitweise wöchentlich im Weißen Haus bei Präsident Nixon verkehren durfte. Aus dem Umfeld des Vietnam-Krieges berichtete er aus Saigon; später arbeitete er zum Teil mit Stahlhelm und Kugelweste in den Krisenherden der Welt, wurde in Sarajewo und Chile beschossen. Viereinhalb Jahre lang lebte er mit seiner Familie in Rio de Janeiro. In der Nacht, bevor er ankam, war sein Studio überfallen und ausgeraubt worden; der Sender sorgte daraufhin für Polizeischutz, mietete ihm ein abgesichertes Appartement im 20. Stock eines Hochhauses am Strand. Alles ging gut, auch Berichte mitten aus Protesten gegen südamerikanische Diktatoren und Kriegsberichterstattungen.
Seit seinem Ruhestand lebt er mit seiner Frau in Ober-Olm bei Mainz; das Paar nahm sich aber eine Zweitwohnung in Oettingen. Dort initiierte er die Generalsanierung der St.-Anna-Kapelle, konnte Dekan, Bürgermeister, Stadträte und andere Lokalpolitiker mit seiner Begeisterung anstecken. Aktuell schuf er eine Dokumentation über die Grabmäler in und an der Kapelle sowie auf dem St.-Anna-Friedhof. Ganze 83 Jahre lang war der Friedhof genutzt worden, von 1785 bis 1869. Naturgemäß verwittern die Steine zusehends, doch der versierte Fotograf und Kameramann fand eine Technik, die Inschriften wieder gut sichtbar werden zu lassen: Er nahm sie zum Teil nachts mit Schlaglicht von der Seite auf, sodass jede Kontur von ihrem Schatten hervorgehoben wird. In dem 166 Seiten starken Bildband „Steingewordene Ewigkeit“sind alle Grabmäler abgebildet, klar gegliedert nach den Stellen, wo sie zu finden sind. Hermann Engel brachte das Buch über Book-onDemand in geringer Stückzahl heraus; bei Interesse werden Einzelexemplare nachgedruckt. Das Buch kann im Oettinger Heimatmuseum und in der Buchhandlung Carl Wilhelm eingesehen werden – sobald sich das öffentliche Leben wieder normalisiert.