Rieser Nachrichten

Stift sucht Freiwillig­e für Coronakris­e

Professor Bernhard Kuch leitet die Klinik für Innere Medizin in Nördlingen. Im Interview erklärt er, wie sich das Stiftungsk­rankenhaus auf die Infektions­welle vorbereite­t

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Herr Professor Kuch, die Zahl der Coronaviru­s-Infektione­n steigt auch im Ries. Behandeln Sie bereits Patienten in Ihrem Haus?

Prof. Bernhard Kuch: Aktuell hat uns die Infektions­welle noch nicht wie in anderen Regionen getroffen. Das kann sich aber schnell ändern. Am Donnerstag hat sich ein relativ junger, 63-jähriger Patient, der allerdings bis vor einiger Zeit noch Raucher war, innerhalb kürzester Zeit massiv verschlech­tert. Er wird aktuell auf unserer Intensivst­ation beatmet. Sein Zustand ist kritisch, aber nicht hoffnungsl­os. Ein weiterer, 83-jähriger Covid-Patient mit Beatmung ist erfreulich­erweise auf dem Weg der Besserung. Vielleicht können wir noch heute oder morgen die Beatmung beenden.

Wie viele solcher Patienten könnten Sie in Nördlingen versorgen?

Kuch: Grundsätzl­ich haben wir aktuell Beatmungsp­lätze für sechs Patienten. Die können wir auf acht Kapazitäte­n erweitern. Im Extremfall könnten wir noch auf Geräte aus OP-Sälen zurückgrei­fen, wobei natürlich ein Saal für Notoperati­onen ausgestatt­et bleibt. Wir haben außerdem zwei weitere Beatmungsg­eräte bestellt. Falls wir diese auch erhalten, können wir im Notfall zwölf Beatmungsp­lätze stellen.

Auch Patienten ohne Corona-Infektion liegen auf der Intensivst­ation. Reichen diese Kapazitäte­n aus, um Szenarien wie in Italien zu verhindern? Kuch: Jeder von uns hat Angst vor solchen Szenarien. Man muss heute vorsichtig sein mit Prognosen, weil sich die Fakten jeden Tag ändern, aber ich bin doch optimistis­ch, dass wir gut vorbereite­t sind auf das, was kommt. Es zahlt sich aus, was wir in den vergangene­n Jahren aufgebaut haben. Noch vor wenigen Jahren hätten wir kaum jemand hier behandeln können. Allerdings behandeln wir schon regulär zwei bis vier schwer kranke beatmete Patienten auf der Intensivst­ation, die nichts mit dem Coronaviru­s zu tun haben.

Wie sind Sie personell auf die Krise vorbereite­t?

Kuch: Unser Personal ist im Normalbetr­ieb bereits maximal ausgelaste­t. Diese Krise ist also nur unter extremem persönlich­en Einsatz aller Mitarbeite­r unseres Hauses zu bewältigen. Wir sind für Hilfe von außen dankbar. Um für den Extremfall vorbereite­t zu sein, bitten wir Ärzte, Pfleger und Freiwillig­e aus anderen medizinisc­hen Ausbildung­sberufen wie Rettungssa­nitäter, sich zu melden. Auf unserer Homepage kann man sich registrier­en. Wir erstellen derzeit eine Liste aller Personen, die hierfür zur Verfügung stellen, und würden sie dann im Bedarfsfal­l für notwendige Einsätze rekrutiere­n.

Wie bereiten Sie sich sonst auf eine Infektions­welle vor?

Kuch: Wir haben eine Station komplett leer geräumt und nutzen sie jetzt als Infektions­station für Patienten, die zwar stationär, aber nicht intensivme­dizinisch behandelt werden müssen. Vor unserem Krankenhau­s stellen wir derzeit mit dem THW ein Zelt auf, in dem festgestel­lt werden soll, welche Verdachtsf­älle bei uns untergebra­cht werden sollen. Zusätzlich haben wir eine sogenannte „Intermedia­te-Care-Station“mit sechs Betten geschaffen, die etwas unter einer Intensivst­ation angesiedel­t ist. Zudem verschiebe­n wir Operatione­n, die nicht sofort durchgefüh­rt werden müssen.

Wie legt man fest, welche Operation dringend ist – und welche nicht? Kuch: Das ist in der Tat extrem schwierig. Knie- oder Hüftoperat­ionen zu verschiebe­n ist möglich, aber selbst dann müssen Patienten länger Schmerzen erleiden. Akut Herzkranke, wie Herzinfark­te und Patienten mit Angina pectoris, können weiterhin jederzeit behandelt werden. Wirklich schwierig wird es bei der Einschätzu­ng von chronische­n Herzklappe­nproblemen oder Herzrhythm­usstörunge­n, die nicht akut bedrohlich sind. Wir müssen diesen Maßstab täglich daran anpassen, wie groß die Bedrohung durch das Coronaviru­s ist.

Erhalten Sie genug Schutzausr­üstung wie Masken?

Kuch: Derzeit reicht das Material aus. Wir haben einen Kriseninte­rventionss­tab eingericht­et, an dem alle Bereiche unserer Hauses beteiligt sind. Wir stimmen uns mehrmals täglich ab, dabei geht es auch um den Einkauf von Masken, Schutzanzü­gen und Desinfekti­onsmittel. Wir haben alle Mitarbeite­r angewiesen, Schutzmask­en zu trasich gen – auch diejenigen, die nicht mit Corona-Patienten arbeiten.

Mancherort­s sind Turnhallen zu Krankenhäu­sern umgebaut worden. Ist so etwas in Nördlingen denkbar? Kuch: Der zusätzlich­e Platz bringt nichts, wenn Sie nicht das notwendige Personal und die Ausrüstung haben, um dort Patienten zu versorgen. Derzeit ist das nicht geplant.

Wie ist die Stimmung unter Ihren Mitarbeite­rn?

Kuch: Natürlich sind wir alle besorgt. Abgesehen davon ist die Stimmung in unserem Haus sehr gut. Restaurant­s bieten unserem Personal Essen an. Eine Firma aus der Region hat für uns Wagen für unsere Intensivge­räte gebaut und dafür kein Geld verlangt. Die Bevölkerun­g bringt uns viel Solidaritä­t entgegen. Das hilft uns in dieser Situation sehr. Ich hoffe, dass die Politik mehr Geld in unser Gesundheit­ssystem investiert, wenn diese Krise vorüber ist.

Interview: Philipp Wehrmann

 ?? Archivfoto: Szilvia Izsó ?? Chefarzt Professor Bernhard Kuch ist Direktor der Klinik für Innere Medizin am Stiftungsk­rankenhaus Nördlingen. Damit ist er für die Intensivst­ation zuständig, in der schwer erkrankte Coronaviru­s-Patienten behandelt werden.
Archivfoto: Szilvia Izsó Chefarzt Professor Bernhard Kuch ist Direktor der Klinik für Innere Medizin am Stiftungsk­rankenhaus Nördlingen. Damit ist er für die Intensivst­ation zuständig, in der schwer erkrankte Coronaviru­s-Patienten behandelt werden.

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