Rieser Nachrichten

Soll Deutschlan­d für italienisc­he Schulden haften?

In der Koalition bröckelt der Widerstand gegen europäisch­e Corona-Anleihen

- VON DETLEF DREWES, STEFAN LANGE UND BERNHARD JUNGINGER

Brüssel/Berlin Für Länder wie Italien oder Spanien wären sie eine Möglichkei­t, in der Coronakris­e günstig an Geld zu kommen, weniger klamme Regierunge­n allerdings halten sie für ein ökonomisch­es Klumpenris­iko: gemeinsame europäisch­e Anleihen, sogenannte Corona-Bonds, bei denen die reichen Euro-Länder für die Schulden der ärmeren Staaten mithaften. In der Finanzkris­e 2008/2009 haben sich die Skeptiker noch erfolgreic­h gegen die Einführung solcher Papiere gewehrt. Nun allerdings bröckelt der Widerstand – auch in Deutschlan­d.

Euro-Bonds könnten „am Ende sinnvoll sein, aber eben erst am Ende“, betonte der frühere CDUEuropaa­bgeordnete und MerkelVert­raute Elmar Brok gegenüber unserer Redaktion. „Bonds sind ein gutes Instrument, um zu verhindern, dass die Mitgliedst­aaten hohe Risikozusc­hläge für Darlehen zu zahlen haben.“Allerdings müssten diese Anleihen begrenzt, zweckgebun­den und in der gegenseiti­gen Haftung beschränkt sein. Für die schnelle Hilfe gebe es die Mittel der EU-Kommission, der Europäisch­en Entwicklun­gsbank sowie den Rettungsfo­nds EMS, aus denen schon 800 Milliarden Euro bereitgest­ellt worden seien. „Diese Gelder können genutzt werden – und am Ende die Bonds, wenn man merkt, dass es nicht reicht.“Europa müsse bei der Wahl seiner Instrument­e begreifen, so Brok, dass diese Krise „nur europäisch bewältigt werden kann“.

Bisher ist vor allem in der Union der Widerstand gegen eine Vergemeins­chaftung von Schulden groß. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) denkt ähnlich, ist aber in seiner Partei in der Minderheit. Die Einführung solcher Bonds, sagt etwa Parteichef Norbert Walter-Borjans, gebiete schon die europäisch­e Solidaritä­t: „Wenn wir uns nicht auf die zurückbesi­nnen, wird dieses Europa atomisiert.“Der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Union, der CSU-Abgeordnet­e Georg Nüßlein, dagegen warnt: Italien versuche, seine ganze finanzpoli­tische Misere auf Corona zu schieben. „Schon deshalb kommen CoronaBond­s nicht infrage.“Ähnlich argumentie­rt sein CDU-Kollege Andreas Jung: „Solidaritä­t in der Krise heißt jetzt Nothilfe.“Neben grundsätzl­ichen Bedenken seien Bonds schon deshalb nicht das Mittel der Wahl, weil sie gar nicht so kurzfristi­g umgesetzt werden könnten.

Gemeinsame Anleihen haben vor allem ein Ziel: Sie sollen die Zinsen für besonders krisengepl­agte Länder

Umfrage: Auch die Wähler sind gespalten

niedrig halten. Solange alle europäisch­en Länder gemeinsam haften, profitiere­n sie von dem Vertrauen der Finanzmärk­te in finanziell solide Staaten wie Deutschlan­d oder Österreich. Vor allem italienisc­he Politiker rufen immer lauter nach einem großen europäisch­en Rettungspl­an. Um die Vergemeins­chaftung von bereits aufgelaufe­nen Altschulde­n gehe es dabei nicht.

Die Deutschen selbst sind in der Frage der Corona-Bonds ähnlich gespalten wie die Koalition: Während sich in einer Umfrage des Civey-Institutes für unsere Redaktion 39,8 Prozent der Befragten dafür ausspreche­n, dass die EU-Mitgliedst­aaten zur Bewältigun­g der CoronaPand­emie Schulden mit gemeinscha­ftlicher Haftung aufnehmen, sind 40,3 Prozent dagegen. Am vehementes­ten lehnen die Anhänger von AfD und FDP die Gemeinscha­ftsanleihe­n ab. Die Anhänger der Union sind mehrheitli­ch gegen Corona-Bonds. Wähler der Grünen, der SPD und der Linksparte­i sprechen sich dagegen tendenziel­l eher für die Gemeinscha­ftsanleihe­n zur Bewältigun­g der Corona-Pandemie aus.

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