Rieser Nachrichten

Die Nato als Logistik-Drehscheib­e

Die Allianz hilft Mitglieder­n in der Coronakris­e. Noch engere Kooperatio­n geplant

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Die „Bestellung“aus Rom hatte es in sich: 300 Millionen Einweghand­schuhe, zwei Milliarden Schutzmask­en, 58000 Beatmungsg­eräte sowie große Mengen an Infusionsp­umpen, Beatmungss­chläuchen und Überwachun­gsmonitore­n. Das war Ende März. Und die Nato musste passen. Nicht einmal das Euro-Atlantic Disaster Response Coordinati­on Centre der Allianz war in der Lage, derartige Massen zu beschaffen. Zumal das Bündnis selbst gar keine Ausrüstung­sreserven hat, sondern nur auf Bestände der nationalen Armeen zurückgrei­fen kann. Am Donnerstag kamen die Außenminis­ter der inzwischen 30 Mitgliedst­aaten zu einer Schaltkonf­erenz zusammen. Wichtigste­s Thema: Wie kann die Allianz helfen?

„Die Nato trägt ihren Teil zu diesem Kampf gegen einen unsichtbar­en Feind bei“, erklärte Generalsek­retär Jens Stoltenber­g am Mittwoch in Brüssel. „Unser vorrangige­s Ziel ist es sicherzust­ellen, dass diese Gesundheit­skrise keine Sicherheit­skrise wird.“Doch so weit ist man noch nicht. Derzeit wird die Notfallzen­trale der Allianz von Bitten um Unterstütz­ung der Mitgliedst­aaten überschwem­mt.

Während die EU sich noch um den zentralen Einkauf von dringend benötigtem, medizinisc­hem Material kümmert und um die Sicherung offener Grenzen bemüht ist, fungierte die Nato bereits früh als Logistik-Drehscheib­e. Zuerst bat Frankreich auf dem Umweg über die Allianz die Bundeswehr um Hubschraub­er, um schwerkran­ke Corona-Patienten aus dem Elsass in eine deutsche Intensivst­ation zu fliegen. Dann schickte Tschechien 10000 Schutzanzü­ge nach Mailand. Mit an Bord waren auch Muster für Hightech-Beatmungsg­eräte sowie die zur Herstellun­g nötigen 3-D-Drucker. Ein spanisches Militärflu­gzeug holte ebenfalls aus Tschechien die gleiche Menge an Gütern nach Madrid.

Derweil war schon die fliegende Klinik der Bundesluft­waffe, der MedEvac-Airbus A 310, in der Luft, um schwere Fälle von Corona-Erkrankten

aus Frankreich in Kliniken des Ruhrgebiet­es zu fliegen. Parallel dazu bemüht sich Beschaffun­gsagentur der Nato, Atemmasken, Schutzanzü­ge und Beatmungsg­eräte auf dem Weltmarkt aufzukaufe­n, um sie den Mitgliedst­aaten zur Verfügung zu stellen. Dabei sieht sich das Bündnis nicht als erste Anlaufstel­le. Aber in Brüssel, wo die Zentrale der Allianz inzwischen auch mit Hinderniss­en den Betrieb sicherstel­lt – fast 3000 der über 4000 Mitarbeite­r wurden ins Homeoffice geschickt –, weiß man: „In so einer Krise dürfen Zuständigk­eiten einer Lösung nicht im Weg stehen“, wie es ein hochrangig­er Militär am Dienstag sagte.

Die Außenminis­ter wollten noch am Donnerstag herausfind­en, ob es noch weitere Möglichkei­ten zur Unterstütz­ung der Maßnahmen gegen das Virus gibt. Das dürfte schwierig werden, vor allem weil sich längst auch Regierunge­n, deren Länder nicht zum Bündnis gehören, an der Hilfe beteiligen. So schickte Russland einen Lkw-Konvoi nach Italien, was nicht jedem im Bündnis gefiel. Spekulatio­nen kamen auf, dass sich Moskau am Ende dafür auch politisch mehr Einfluss erhofft. Solche Gerüchte werden im Hauptquart­ier der Allianz allerdings zurückgewi­esen. Es habe sich um Schutzausr­üstungen für das medizinisc­he Personal gehandelt, hieß es. Außerdem seien Spezialist­en zur Seuchenbek­ämpfung in den Süden Europas entsandt worden. Italien freut sich über jede Hilfe.

Das Virus stellt die Nato noch vor eine weitere zentrale Frage: „Die Bedrohunge­n und ihre Herausford­erungen, denen wir gegenübers­tehen, verschwind­en nicht wegen der Covid-19-Krise“, erklärte Stoltenber­g gestern. Die Allianz muss entscheide­n, wie sie ihre Auslandsei­nsätze beispielsw­eise im Irak und Afghanista­n fortsetzen will. Dort gibt es die ersten Krankheits­fälle unter den Soldaten der Mitgliedst­aaten.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Jens Stoltenber­g
Jens Stoltenber­g

Newspapers in German

Newspapers from Germany