Telefonmarathon nach dem Saisonende
Angels-Manager Kurt Wittmann erzählt, was er nach dem Abbruch des Spielbetriebs alles regeln musste. Er hat eine fixe Idee, wie das Pokalfinale nachgeholt werden könnte
Herr Wittmann, was ging Ihnen an den letzten beiden Wochenenden durch den Kopf? Eigentlich wären das Top Four-Turnier im Pokal und der Beginn der Play-offs angestanden ... Wittmann: Konkret diese beiden Wochenenden waren für mich überlagert einerseits von schulischen Dingen, hauptsächlich die Umstellung auf digitalen Unterricht, und andererseits wichtigen sportlichen Fragen, die aufgrund des abrupten Saisonendes im Schnelltempo abgearbeitet werden mussten. Für ein nostalgisches Zurückdenken war damit praktisch keine Zeit.
Der Spielbetrieb der Damen-Basketball-Bundesliga (DBBL) ist am Freitag, 13. März, Knall auf Fall zum Erliegen gekommen. Für den Sportlichen Leiter eines Vereins ist das der schlimmste Fall. Was mussten Sie in den folgenden Tagen alles in kürzester Zeit erledigen?
Wittmann: Alle Spielerinnen wollten natürlich so schnell wie möglich nach Hause. Die Verträge mussten geklärt und die Heimreisen organisiert werden. Und das bei einer Situation auf den Flughäfen, die chaotisch war. Weiter ging es mit den Vertragsverhandlungen, die ja alle angebahnt waren. Wir hatten auch mit neuen Spielerinnen für die nächste Saison schon gesprochen. Es war ausgesprochen schwierig, diese Gespräche am Laufen zu halten. Außerdem war ganz viel Kommunikation mit dem neuen DBBL-Geschäftsführer nötig, der gerade mal eine Woche im Amt war.
Sind denn die ausländischen Profis alle noch wohlbehalten in ihren Heimatländern angekommen?
Wittmann: Die Heimreisen haben gut geklappt. Zuerst war die Finnin Heta Äijänen dran, dann Magaly Meynadier per Auto; sie war einen Tag, bevor die Grenzen geschlossen wurden, zurück in Luxemburg. Für Sami Hill gab es einen Direktflug München – Toronto und am schwierigsten waren die beiden US-Amerikanerinnen mit mehreren Umbuchungen. Die Eltern von Leslie Vorpahl und Danielle McCray haben übrigens „Air BnB“für ihre Töchter gebucht und sie 14 Tage lang ausgelagert, weil sie aus dem Corona-verseuchten Europa kamen.
Die letzten Wochen einer Saison werden oft dazu genutzt, die Weichen für die nächste Spielzeit zu stellen, personell und finanziell. Dieser zeitliche Puffer ist Ihnen diesmal schlagartig weggebrochen. Was sind die Konsequenzen?
Wittmann: Wir hatten wie gesagt viele Sachen schon angebahnt. Kurz vor Abschluss kam dann das abrupte Ende. Der Rest muss nun per Videochat erledigt werden. Aber die Spielerinnen sind jetzt extrem verunsichert. Gibt’s eine neue Saison, wann beginnt sie? Das macht die Verhandlungen nicht einfacher. Aber wir haben ja noch ein wenig Zeit bis zum 1. September, wo traditionell die Vorbereitung beginnt.
Die DBBL hat diese Woche endgültig entschieden, dass die Saison quasi annulliert wird. Es gibt keinen Meister, keine Absteiger, keine Aufsteiger aus der 2. Liga. Ursprünglich war eine andere Regelung geplant, aber zwei von 32 Vereinen haben sich dagegen ausgesprochen. Was steckt dahinter? Wittmann: Ursprünglich war geplant, die Tabelle nach dem vorletzten Spieltag einzufrieren und es hätte eine Abschlusstabelle mit einem Meister und zwei Absteigern gegeben. Merkwürdigerweise haben nicht die beiden Absteiger dagegen interveniert, sondern Freiburg und Herne. Die genauen Hintergründe erschließen sich mir nicht, eventuell hat es etwas mit Keltern zu tun, das sich nun nicht deutscher Meister nennen darf.
Es gibt eine vage Information, dass das Top Four-Turnier unter Umständen in Nördlingen nachgeholt wird ... Wittmann: Die Idee steht tatsächlich im Raum. Wir werden mit den drei anderen beteiligten Vereinen sprechen und wollen das Turnier eine Woche vor Beginn der neuen Saison ausrichten. Der ursprüngliche Ausrichter Keltern will es an diesem Termin nicht machen. Es wäre tatsächlich ein offizielles Top Four, wenn sich die Vereine über die Modalitäten verständigen können.
Die sportliche Einordnung der Spielzeit 2019/2020 ist nun eine eher subjektive. Die Xcyde Angels standen vor dem letzten Spieltag auf Rang vier, hätten auch noch Dritter werden können. Und im Pokal hatten sie die Endrunde der letzten Vier erreicht ...
Wittmann: Wir sehen uns ein bisschen augenzwinkernd als potenzieller Pokalsieger, sind in der Liga und im Pokal unter die besten Vier gekommen. Insofern haben wir eine grandiose Saison, vielleicht die beste überhaupt gespielt. Uns hat vor der Saison niemand auf dem Zettel gehabt; wir hatten einen hervorragenden Start, sind dann ein bisschen heruntergefahren, um zum Saisonhöhepunkt noch einmal durchstarten zu können. Leider ist alles anders gekommen. Das ist schon schade.
Einige Spielerinnen sind auf den Basketball-Plattformen sehr positiv gewürdigt worden, vor allem Luisa Geiselsöder gleich mehrfach ... Wittmann: Die internationale Internet-Plattform eurobasket.com hat Luisa zur besten Centerin und besten deutschen Spielerin gekürt. Lesley Vorpahl wurde Zweite auf der Position 1 des Point Guards, Danielle McCray lobend erwähnt, sodass drei Spielerinnen unserer ersten Fünf ausgezeichnet worden sind. Dazu wurde Magaly Meynadier in ihrem Heimatland zur besten luxemburgischen Spielerin im Ausland gewählt.
Sehen Sie eine Chance, Luisa Geiselsöder nach ihrer enormen Leistungsentwicklung und der Berufung in die Nationalmannschaft noch eine weitere Saison in Nördlingen zu halten? Wittmann: Wir haben sie vor der Saison überzeugt, dass ein weiteres Jahr in Nördlingen ihrer sportlichen Entwicklung guttun würde. Damit lagen wir richtig. Sie hat einen Riesensprung gemacht und wird jetzt wohl den nächsten Schritt zu einem starken Team im europäischen Ausland machen.
Wie sieht es überhaupt mit dem Personal aus?
Wittmann: Wir waren wie erwähnt guter Dinge, mit bisherigen Spielerinnen zu verlängern, aber das ist jetzt ins Stocken geraten. Dass der Coach bleibt, ist ein gewichtiges Argument: Wir haben uns zu einer guten Adresse vor allem für deutsche Spielerinnen entwickelt, weil sie gemerkt haben, dass sie bei uns und bei diesem Trainer Einsatzzeiten bekommen. Aber die Unsicherheit ist derzeit groß.
Eine schnelle Entscheidung war die Verlängerung des Vertrages von Trainer Ajtony Imreh. Das sieht nach einem Zeichen großer Zufriedenheit und Wertschätzung aus.
Wittmann: Die sportlichen Ziele hatte der Trainer mit dem frühzeitigen Klassenerhalt und dem Sprung in die Play-offs sehr schnell erreicht. In der Kommunikation mit Spielerinnen und Vereinsführung hat er zudem bewiesen, dass er ein Mann ist, mit dem man gut zusammenarbeiten kann. Zudem habe ich noch nie einen Trainer erlebt, der im Training so viel Intensität herstellt – beinahe wie im Spiel. Seine Familie wird im Sommer mitkommen und will in Nördlingen heimisch werden. Wir hoffen nur, dass die Corona-Maßnahmen in Ungarn uns jetzt nicht einen Strich durch die Rechnung machen. Interview: Robert Milde