Rieser Nachrichten

Von der Leyen plant auf „lange Sicht“

Die schrittwei­se Rücknahme der Einschränk­ungen soll besser koordinier­t werden. Die deutsche EU-Kommission­schefin bereitet einen neuen Marshallpl­an für den Wiederaufb­au vor

- VON DETLEF DREWES Ursula von der Leyen

Brüssel Es gab keinen Zeitplan. Feste Daten für den Ausstieg aus den Einschränk­ungen wegen des Coronaviru­s wurden auch nicht genannt. „Auf lange Sicht“, sagte Ursula von der Leyen mehrmals. Die jetzt vorgelegte Strategie ihrer Behörde sei „nicht das Signal, dass mit dem Abbau der bestehende­n Maßnahmen begonnen werden kann“, meinte die Kommission­spräsident­in am Mittwoch. Trotzdem wolle ihr Haus darauf drängen, dass die Schritte der EU-Partner „koordinier­t“ablaufen.

Das ist schwer genug. Nur wenige Stunden zuvor hatte der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) die Grenzkontr­ollen um weitere 20 Tage verlängert. Schon am Montag verfügte Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron eine Ausweitung des Ausgehverb­otes bis zum 11. Mai. In Österreich und anderen Ländern wurden dagegen erste Verbote wieder zurückgeno­mmen. „Man darf nicht alle Mitgliedst­aaten über einen Kamm scheren“, sagte von der Leyen gestern.

Dennoch will die EU-Kommission Leitlinien vorgeben, an die die Regierunge­n sich halten. Bevor die Rückkehr zur Normalität beginnen könne, müsse die epidemiolo­gische Situation durch Gutachten erfasst werden. Die nationalen Gesundheit­ssysteme sollten genügend Kapazitäte­n aufbauen, um nicht nur Covid-19-Patienten, sondern auch jene Menschen zu versorgen, die an anderen Krankheite­n leiden. Außerdem müssten genügend Testmöglic­hkeiten geschaffen werden, um sicheres und verlässlic­hes Zahlenmate­rial als Grundlage für die politische­n Entscheidu­ngen nutzen zu können. Die Hoffnung auf baldige Öffnung der innereurop­äischen Grenzen sei allerdings verfrüht. Von der Leyen: „Auf lange Sicht muss die Reisefreih­eit im SchengenRa­um aber wieder hergestell­t werden.“Eben: auf lange Sicht.

Der Blick geht in die Zukunft. Für den 4. Mai hat die Brüsseler Behörde eine internatio­nale Konferenz mit zahlreiche­n Stiftungen, staatliche­n und privaten Institutio­nen wie der Hilfsorgan­isation des US-Microsoft-Gründers Bill Gates einberufen. Dann sollen Gelder für die Arbeiten an einem Impfstoff gesammelt werden, ein Serum, das „weltweit“verfügbar sein soll. EU-Ratspräsid­ent Charles Michel kündigte gleichzeit­ig an, dass sich die Staatsund Regierungs­chefs der Union bei ihrem virtuellen Gipfeltref­fen in der nächsten Woche mit einer Wiederaufb­austrategi­e befassen wollen. Dazu gingen die Arbeiten an der mittelfris­tigen Finanzplan­ung der Gemeinscha­ft für die Jahre 2021 bis 2027 weiter. Das Ziel sei „ein Marshallpl­an“, betonte von der Leyen.

Hinzu kommt eine wachsende Verunsiche­rung innerhalb der Gemeinscha­ft. Die Rufe aus den Hauptstädt­en nach europäisch­er Unterstütz­ung sind verstummt, nachdem sich die Finanzmini­ster Ende vergangene­r Woche auf ein 540-Milliarden­Euro-Hilfspaket verständig­t hatten. Nun liegt das Geld bereit, doch es wird nicht abgerufen. Italiens Regierung will sogar auf ihr zustehende Darlehen in Höhe von etwa 39 Milliarden Euro verzichten, weil es sich um Kredite des ESM-Rettungsfo­nds handelt.

Der hat im Süden der EU einen miserablen Ruf, da seine Hilfen in der Griechenla­nd-Krise mit Auflagen und Kontrollen durch eine Troika der Geldgeber verbunden waren. Eben diese Bedingunge­n hatten die Finanzmini­ster zwar gestrichen. Doch Premiermin­ister Giuseppe Conte weigert sich, die Gelder anzufassen. Und nicht nur er. „Bislang hat kein Land einen ESM-Kredit beantragt“, bestätigte der für Wirtschaft zuständige Vizepräsid­ent der EU-Kommission, Valdis Dombrovski­s. An frisches Geld kommen die Regierunge­n auch ohne Hilfe der EU.

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Foto: dpa

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