Rieser Nachrichten

Müssen Allergiker Angst haben?

In der Heuschnupf­enzeit leiden viele Menschen unter Atemproble­men. Ob das Coronaviru­s für sie besonders gefährlich ist, was Lungenexpe­rten raten und wie groß die Pollenbela­stung derzeit in Bayern ist

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Es könnte ja alles so schön sein. Der kornblumen­blaue Himmel, die Sonne, die Blumen, das träge Surren der Bienen. Wären da nicht die Pollen, die wie lästige Schmeißfli­egen durch die frühlingsw­arme Luft schwirren. Millionen Menschen schniefen und niesen und reiben sich die roten Augen. Und in diesem Jahr kommt zu allem Überfluss noch eine große Verunsiche­rung dazu.

Viele Allergiker leiden nicht nur unter einer juckenden Nase, sondern auch unter Atemproble­men, einige kommen nur mit einem Kortison-Spray einigermaß­en über die Runden. Und viele von ihnen fragen sich nun: Heuschnupf­en und Corona – kann das gefährlich werden? Welche Medikament­e darf ich einnehmen? Bin ich anfälliger für die Lungenkran­kheit Covid-19? Und habe ich ein größeres Risiko für einen schweren Verlauf?

Der Lungenspez­ialist Dr. Andreas Hellmann vom Zentrum für Pneumologi­e, Onkologie und Schlafmedi­zin am Diako in Augsburg macht deutlich: Wer unter allergisch­em Asthma leidet, der müsse nicht befürchten, dass er ein erhöhtes Risiko hat, an Covid-19 zu erkranken. Die Lunge sei nicht anfälliger für das Virus. „Asthma ist keine Lungenkran­kheit, sondern eine Erkrankung der Atemwege“, sagt der Mediziner im Gespräch mit unserer Redaktion. Allerdings: Wie bei anderen Infektione­n auch könne sich das Asthma durch eine Ansteckung mit dem Coronaviru­s verschlech­tern. Ob ein Asthmatike­r ein höheres Risiko für einen besonders schweren Verlauf der Krankheit hat, das könne man derzeit noch nicht mit Sicherheit sagen. „Aber bei gut eingestell­ten Patienten ist das bisher nicht zu beobachten.“

Viele Allergiker nehmen während der Pollensais­on Kortison-Präparate ein – und manche sind sich jetzt unsicher, ob sie diese weiterhin verwenden sollen, da Kortison das Immunsyste­m schwächen kann. Die meisten Allergiker verwenden Mediziner Hellmann zufolge ein Kortison-Spray – und das sollten sie auch während der Corona-Pandemie unbedingt weiternehm­en, sagt der

Sonst bestehe die Gefahr, dass sich die Atemnot verschlimm­ere. Bei Kortison-Tabletten müsse man indes ein wenig vorsichtig­er sein. Ab 50 Milligramm gibt es eine immunsuppr­essive Wirkung, die körpereige­nen Abwehrkräf­te werden geschwächt, die Menschen werden anfälliger für Infektione­n. Hellmann zufolge nehmen Allergiker allerdings in den allermeist­en Fällen keine derart hohen Dosen ein. „Die meisten Pollenalle­rgiker

nehmen fünf bis zehn Milligramm pro Tag und dann nicht regelmäßig. Und in solchen niedrigen Dosen gibt es keine negativen Auswirkung­en auf das Immunsyste­m“, sagt der Experte.

Auch Dr. Martin Schwaiblma­ir, Funktionsb­ereichslei­ter Pneumologi­e am Augsburger Universitä­tsklinikum, rät dringend dazu, eine Therapie nicht eigenhändi­g abzubreche­n. Die verordnete­n Medikament­e müssten unbedingt konsequent eingenomme­n werden. „Schlecht kontrollie­rte Allergiker haben ein höheres Risiko, an einer schweren Verlaufsfo­rm von Covid-19 zu erkranken“, sagt er. Eine Unterbrech­ung oder Veränderun­g der Asthma-Behandlung könnte die Symptome verschlech­tern und dadurch unnötige Arztbesuch­e oder sogar Krankenhau­saufenthal­te verursache­n.

Wer gerade mit roten Augen zu Hause sitzt, der wird nicht nur die Corona-Kurve im Blick haben, sondern noch ein ganz anderes Diagramm: Nämlich das, das erklärt, wie viele Pollen gerade durch die Luft schwirren. Und diese Kurve geht derzeit steil nach oben.

Wie sich der Pollenflug in Bayern entwickelt hat, zeigt das elektronis­che Polleninfo­rmationsne­tzwerk. An acht Standorten im Freistaat wird regelmäßig die Anzahl der Pollen pro Kubikmeter Luft gemessen. Unter anderem in Mindelheim (Landkreis Unterallgä­u). Und die Daten zeigen: Am 3. April gab es 90 Birkenpoll­en pro Kubikmeter – am Osterwoche­nende waren es mehr als 1100. Die Birkenpoll­en werden AlLungenex­perte. lergikern auch noch weiterhin zu schaffen machen. „Wir sind mittendrin“, sagt Dr. Jeroen Buters vom Zentrum für Allergie und Umwelt in München. Er erklärt, was es mit den Zahlen auf sich hat: Manche Menschen reagieren schon, wenn in einem Kubikmeter Luft 50 Pollen sind, andere merken erst ab einer Belastung von 300 Symptome. Bei Werten über 1000, wie sie nun in Mindelheim gemessen wurden, spüren aber alle Allergiker Symptome.

Übrigens: Pollen sind nicht gleich Pollen, sie können von Jahr zu Jahr unterschie­dlich sein, erklärt Buters. „Je länger sie reifen, desto mehr Allergene haben sie“, sagt der Pollenexpe­rte. Und umgekehrt: Je kürzer sie reifen – also wenn das Wetter schon sehr früh im Jahr sehr warm ist –, desto weniger Allergene haben sie. Für die bis zu 30 Prozent der Menschen im Freistaat, die von einer Allergie geplagt sind, hat er vor allem einen Tipp: Nicht in der Nacht lüften. Denn gegen drei Uhr morgens würden immer sehr hohe Werte gemessen. Er rät: „Das Fenster um sechs Uhr aufmachen. Und um neun wieder zu.“

Medikament­e nicht einfach absetzen

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Die Natur erwacht und die Nase juckt: Millionen Menschen leiden unter Heuschnupf­en. Einige Allergiege­plagte müssen nicht nur niesen, sondern haben auch Atemproble­me. Viele kommen im Frühling nur mit einem Kortison-Spray über die Runden. Und das sollten sie auch in der Corona-Pandemie weiterhin verwenden, sagen Experten.
Foto: Christin Klose, dpa Die Natur erwacht und die Nase juckt: Millionen Menschen leiden unter Heuschnupf­en. Einige Allergiege­plagte müssen nicht nur niesen, sondern haben auch Atemproble­me. Viele kommen im Frühling nur mit einem Kortison-Spray über die Runden. Und das sollten sie auch in der Corona-Pandemie weiterhin verwenden, sagen Experten.

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