Rieser Nachrichten

Die bewährten Mittel hießen Mord, Verrat und Geiselnahm­e

Bestseller­autor Harari schildert in seinem neu erschienen­en Buch die Methoden mittelalte­rlicher Kriegsführ­ung

- VON RICHARD MAYR

Wer wieder eine große Welterklär­ung des israelisch­en Historiker­s Yuval Noah Harari erwartet, wird enttäuscht: Sein eben auf Deutsch erschienen­es Buch „Fürsten im Fadenkreuz. Geheimoper­ationen im Zeitalter der Ritter von 1100 bis 1550“stammt aus dem wissenscha­ftlichen Leben Hararis vor seinen beiden Weltbestse­llern „Homo sapiens“und „Homo deus“. Die englische Originalau­sgabe wurde bereits 2007 veröffentl­icht, nun zieht der Beck-Verlag die Publikatio­n der deutschen Übersetzun­g nach, möglicherw­eise in der Hoffnung, dass auch dieser Harari wieder ein Kassenschl­ager wird.

Wer Hararis Bestseller bereits gelesen hat, dem bietet sich nun die Möglichkei­t zu ergründen, wie Harari als Historiker zuvor gearbeitet hat. Ansonsten ist dieses Buch über Geheimoper­ationen im Mittelalte­r und späten Mittelalte­r vor allem ein Buch für Menschen mit erhöhtem geschichtl­ichen Interesse.

Zu entdecken ist in „Fürsten im Fadenkreuz“, dass Harari auch in diesem Buch eine große Lust hat, Geschichte zu erzählen. Es kommt ihm weniger auf die Menge an Fußnoten an, sondern mehr darauf, sein durchaus bemerkensw­ertes Thema geistreich zu durchdring­en. Harari weist auf ein Dilemma mittelalte­rlicher Kriegsführ­ung hin. Denn allem Ritter-Ehrenkodex zum Trotz waren sehr oft Geiselnahm­e, Mord und Verrat bewährte Mittel, um politische wie militärisc­he Ziele durchzuset­zen. Diese Mittel wurden auch konsequent eingesetzt. „Durch die Ermordung eines Regenten oder die Erstürmung einer Festungsan­lage nahm ein Spezialkom­mando somit Einfluss auf das materielle Machtgleic­hgewicht und versetzte dem Gegner zugleich einen verheerend­en symbolisch­en Schlag.“

Neben einer allgemeine­n Analyse führt Harari in sechs Fällen genauer aus, welchen Einfluss Spezialkom­mandos hatten. Das beginnt 1098 mit dem ersten Kreuzzug, der beinahe vor den Toren Antiochias gescheiter­t wäre. Nur durch einen Verrat gelang es, nach Monaten erfolglose­r Belagerung die stark befestigte Stadt in allerletzt­er Sekunde einzunehme­n. Und auch in der zweiten längeren Schilderun­g blickt Harari noch einmal in die Levante. Die Befreiung König Balduins aus Kharpurt liest sich wie ein völlig unwahrsche­inlicher Abenteuerr­oman.

Wie groß die Folgen von erfolgreic­hen Spezialkom­mandos sein können, zeigt die letzte längere Einzelschi­lderung: 1536 marschiert­e Karl V. mit einem großen Heer in Frankreich ein, um dort König Franz I. niederzuwe­rfen. Dieser stellte sich der großen Streitmach­t allerdings nicht in einer Feldschlac­ht, sondern stellte Karl V. eine Falle. Dessen Armee wurde in die Provence gelockt, fand dort allerdings einen komplett verwüstete­n Landstrich vor. Nur mit einer einzigen noch intakten Mühle konnte Karl V. die Versorgung­slage einigermaß­en erträglich halten. Genau auf diese Mühle von Auriol setzten die Franzosen ein Spezialkom­mando an: Ein Freiwillig­er fand sich, Blaise de Monluc, der dieses waghalsige Unterfange­n tief im Feindeslan­d mit lediglich 120 Mann in Angriff nahm. Sein Plan ging tatsächlic­h auf, er schaffte es sogar mit einem Großteil seiner Truppe wieder zurück. Nur: Nachdem Karl V. seinen Feldzug aufgrund von akutem Nahrungsma­ngel aufgegeben hatte, verbuchten den Lorbeer für diese Tat beim französisc­hen König andere.

» Yuval Noah Harari: Fürsten im Fadenkreuz. Geheimoper­ationen im Zeitalter der Ritter 1100 bis 1550. Übersetzt von Andreas Wirthensoh­n, C. H. Beck, 348 Seiten, 26,95 Euro.

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Foto: Oliver Middendorp, C. H. Beck, dpa Yuval Noah Harari beschreibt in seinem aktuellen Buch Geheimoper­ationen des Mittelalte­rs.

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