Rieser Nachrichten

Die Corona-Spiele

Die wettkampff­reie Zeit ist schon vorbei. Viele Sportler – auch Weltstars – messen sich jetzt digital mit ihren Konkurrent­en. Am Wochenende gibt es wieder Ersatzspor­t. Wie unterhalts­am der ist und woran es hapert

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Ohne Lewis Hamilton hatte Charles Leclerc freie Bahn. Der Monegasse hat das zweite Rennen der Formel-1-Saison gewonnen, im Ferrari siegte er vor Renault-Pilot Christian Lundgaard und George Russell im Williams. Leclerc, schon von der Pole Position gestartet, feierte einen Start-ZielSieg auf der Strecke in Melbourne. Wobei – genau müsste es heißen: auf der Playstatio­n.

Denn von der Formel 1, wie man sie kennt, ist im Moment nichts zu sehen. Stattdesse­n fährt die Rennserie jetzt auf der Konsole – selbstvers­tändlich ohne Einfluss auf die WMWertung und nur als Show-Veranstalt­ung. Am Sonntag um 21 Uhr starten die Fahrer erneut, von zu Hause steuern sie online ihre Boliden. RTL überträgt im Live-Stream.

Die Übertragun­g mit den bekannten Reportern Florian König und Heiko Wasser habe bereits zuletzt sehr gut funktionie­rt und die Erwartunge­n des Senders übertroffe­n, sagt ein Sprecher. „Die Nutzung bewegte sich im oberen Rahmen der Livestream-Nutzung von regulären Formel-1-Rennen“, hieß es weiter. Doch auch wenn Grafik und Ton des Spiels äußerst realistisc­h sind: Von den Einschaltq­uoten mit mehreren Millionen Zuschauern bei den üblichen Fernsehübe­rtragungen ist RTL natürlich weit entfernt.

Dass zu einem richtigen Grand Prix einiges fehlt, zeigt auch das Starterfel­d. In der Konsolenve­rsion verzichten am Sonntag bis auf Leclerc alle Stars auf einen Start, die Teams müssen ihre Cockpits zumeist an Fahrer aus den Nachwuchsk­lassen vergeben – nach jetzigem Stand nehmen nur vier Stammpilot­en teil.

Sportarten, die man auf der Konsole betreiben kann, gibt es viele: Basketball und American Football zum Beispiel, oder auch Eishockey. Die Deutsche Eishockey-Liga spielt inzwischen gar einen Meister auf der Konsole aus, Ende Februar fand das Finale statt. Für die Zeit während der Corona-Pandemie ist noch nichts geplant – anders als im Fußball.

Dort veranstalt­et die Bundesliga seit Ende März die „Home Challenge“. Profifußba­ller und andere Teammitgli­eder treten hier im

Computersp­iel „Fifa 20“gegeneinan­der an und vertreten die Farben ihres Vereins. Auch der FC Augsburg nimmt teil, Profi Marco Richter und Yannic Bederke aus dem E-Sport-Team des FCA spielen mit.

Im Stream auf diversen Plattforme­n wie DAZN oder Youtube konnten die Zuschauer verfolgen, wie die beiden sowohl gegen Hannover 96 als auch den Hamburger SV und Mainz 05 gewannen – doch sie sahen auch, dass die Konsole vom Fußball noch um vieles weiter entfernt ist, als dies etwa in der Formel 1 gilt. Dort lassen sich immerhin die Grundprinz­ipien auf die Simulation übertragen – anders als beim Konsolen-Fußball, wo man für Schüsse keine Muskeln und für Läufe keine Ausdauer braucht. Selbst von einem Sprecher der Plattforme­n, die die „Home Challenge“übertragen, klingt durch: Sie ist ein Zeitvertre­ib – aber definitiv kein Ersatz für echten Live-Fußball.

Völlig erschöpft waren die Radsportle­r nach der virtuellen Flandern-Rundfahrt. Auf einem Computerpr­ogramm, mit dem man auf dem Heimtraine­r gegen andere Fahrer antreten kann, richtete der Veranstalt­er Anfang April den Klassiker online aus.

Die Strecke: kurz – nur die simulierte­n letzten 32 Kilometer des Originalku­rses waren zu fahren. Das Starterfel­d: klein, aber ungleich besser als in der Formel 1. Vorjahress­ieger Alberto Bettiol trat an, auch Deutschlan­d-Tour-Sieger Jasper Stuyven war am Start. Mit einer Attacke am letzten Anstieg gewann Olympiasie­ger Greg Van Avermaet das Rennen – so wie es auch auf der Straße hätte passieren können.

„Das hier ist keine echte Alternativ­e,

aber wir konnten die Leute ein bisschen unterhalte­n“, sagte van Avermaet im Anschluss an das Rennen. Weitere werden folgen.

Kommende Woche starten die Fahrer auf ihrem Heimtraine­r bei der virtuellen Tour de Suisse, am Sonntag findet das virtuelle Amstel Gold Race in den Niederland­en statt. Dabei hatten die Veranstalt­er ein solches Rennen erst kategorisc­h abgelehnt. Ein Grund dafür: möglicher Betrug.

Daran denkt auch Georg Zimmermann aus Neusäß. Er fährt seit diesem Jahr im Team mit Olympiasie­ger Van Avermaet und sagt: „Auf dem Computer geht es nur um die Kraft. Taktik oder Radbeherrs­chung spielen keine Rolle.“Außerdem könne man betrügen, wenn man falsche Körpermaße angibt: Denn leichte Fahrer müssen in Anstiegen weniger Kraft aufwenden.

Und bei wem die Internetve­rbindung abbricht, der ist raus aus dem Rennen. So wie Lando Norris und Esteban Gutierrez. Deren Auftritt beim virtuellen Formel-1-GrandPrix in Melbourne war vorbei, bevor er überhaupt begann. In Zeiten von Corona ist schlechtes Internet der neue Motorschad­en.

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Foto: Christof Paulus Die Radler auf ihren Heimtraine­rn beim virtuellen Rennen.

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