Rieser Nachrichten

Wirtschaft fordert mehr Hilfe

Bayern geht in der Corona-Krise sehr streng vor – oft auch zulasten der eigenen Betriebe. Eine neue Studie zeigt jetzt: Der Shutdown trifft den Freistaat besonders hart

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Schon am Mittwoch, in der Pressekonf­erenz mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel, war Markus Söder anzumerken, dass er es deutlich weniger eilig hatte als viele seiner Kollegen, das öffentlich­e Leben in Deutschlan­d wieder hochzufahr­en. In Nebensätze­n und mit knappen Bemerkunge­n machte der bayerische Ministerpr­äsident klar, dass der Freistaat einen Sonderweg gehen werde: vorsichtig­er, langsamer, strenger.

Man dürfe sich „nicht durch die Krise tasten“, betonte Söder – womöglich auch als Ansage an Armin Laschet, den nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten, der kurz zuvor davon gesprochen hatte, das öffentlich­e Leben „in einem tastenden Verfahren“wieder hochzufahr­en. Geschäfte öffnen in Bayern nun erst eine Woche später als im Rest Deutschlan­ds, auch beim Schulunter­richt strebt Bayern einen anderen Weg an als der Bund.

Söders Vorsicht ist begründet: Bayern gilt aufgrund seiner Nähe zu Italien als Corona-Hotspot. Nirgendwo sonst im Land haben sich so viele Menschen mit dem neuartigen Virus angesteckt: Insgesamt zählte

Landesamt für Gesundheit am Donnerstag bayernweit 35523 Fälle. Das sind etwa 271 Infizierte pro 100 000 Einwohner. Zum Vergleich: In Baden-Württember­g liegt diese Zahl bei 234, in Mecklenbur­g-Vorpommern nur bei 39.

Das ist der Grund, warum Söder wiederholt härter durchgreif­t als seine Amtskolleg­en – oft auch zulasten der eigenen Wirtschaft. Dabei trifft ein Shutdown Bayern deutlich härter als die meisten anderen Länder. In einer neuen Studie des IfoInstitu­ts, die unserer Redaktion vorab vorlag, haben die Wissenscha­ftler die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise für die Bundesländ­er berechnet. Demnach verliert das stark industriel­l geprägte Bayern während des Shutdowns fast zwei Drittel (56,3 Prozent) seiner Wertschöpf­ung, nur Baden-Württember­g würde den Wissenscha­ftlern zufolge noch stärker getroffen.

Wirtschaft­lich starke Länder wie Bayern könnten allerdings nach Ansicht der Forscher im Anschluss an den Shutdown relativ schnell wieder zu alter Produktion­sstärke zurückfind­en, wohingegen andere Bundesländ­er wie Berlin oder Mecklenbur­g-Vorpommern, die stark vom Tourismus leben, die Folgen noch länger spüren werden.

Bisher trugen die bayerische­n Betriebe den Weg der Staatsregi­erung weitgehend mit – immer öfter sind nun aber auch Forderunge­n nach weiteren Erleichter­ungen zu hören. So nannte der Bayerische Industrieu­nd Handelskam­mertag den Corona-Fahrplan einen „ersten wichtigen Schritt in Richtung Normalisie­rung“. Gleichzeit­ig mahnte BIHKdas

Präsident Eberhard Sasse aber auch, dass tausenden Hotels, Gasthäuser­n und Veranstalt­ern weiter harte Zeiten bevorstünd­en. Ministerpr­äsident Markus Söder hatte angekündig­t, dass man frühestens Pfingsten über eine Öffnung nachdenken könnte. Ohne schnelle zusätzlich­e Maßnahmen „werden wir diese Unternehme­n nicht über die Zeit retten“, warnte Sasse.

Auch Thomas Geppert, Landesgesc­häftsführe­r des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands, malt ein düsteres Bild. „Wir sind die Hauptbetro­ffenen dieser Krise“, sagte er unserer Redaktion. Tausende Betriebe hätten Existenzän­gste, die Besitzer wüssten oft nicht, wie es weitergehe­n soll. Geppert forderte von der Staatsregi­erung ein „Signal zum Durchhalte­n“: Einen zusätzlich­en Schutzschi­rm sowie reduzierte Mehrwertst­euer für Gastronomi­ebetriebe. „Ganz allein“, betonte Geppert, „werden die Betriebe es nicht aus der Krise schaffen.“

»Kommentar

Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz über die Politik der kleinen Schritte in der Corona-Krise.

»Bayern

Uli Bachmeier listet alle Lockerunge­n auf, die das Kabinett in München beschlosse­n hat.

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Foto: dpa Ab Ende April könnten die Türen auch in Bayern wieder öffnen: Läden bis 800 Quadratmet­er sollen dann aufmachen. Gleichzeit­ig gilt ein Maskengebo­t.

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