Rieser Nachrichten

Schützt Amazon Mitarbeite­r ausreichen­d vor Corona?

Das Versandunt­ernehmen hat in Frankreich nach einem Gerichtsur­teil Standorte schließen müssen. Auch an den Schutzmaßn­ahmen in Deutschlan­d gab es Kritik, unter anderem in Graben bei Augsburg

- VON MICHAEL KERLER

Paris/Graben Jetzt, in Zeiten der Corona-Krise, macht der US-Versandhän­dler Amazon glänzende Geschäfte. Die Nachfrage ist groß, viele Menschen bestellen von zu Hause aus am Computer oder per Smartphone, da viele Läden geschlosse­n haben. In den USA, aber auch in Deutschlan­d sollen zusätzlich­e Mitarbeite­r eingestell­t werden. Wie ernst nimmt das Unternehme­n aber den Schutz der eigenen Mitarbeite­r gegen Corona? Nach Ansicht von Gewerkscha­ften nicht ernst genug. Die Arbeitnehm­ervertrete­r schlagen Alarm.

In Frankreich hielt ein Gericht Anfang dieser Woche die Schutzvork­ehrungen an den französisc­hen Standorten für nicht ausreichen­d. Die Folge: Amazon musste im Nachbarlan­d bis auf Weiteres Teile seiner Versand- und Lageraktiv­itäten einstellen. Nur noch Bestellung­en von Lebensmitt­eln, Hygieneund Medizinpro­dukten durften dem

Gerichtsbe­schluss zufolge angenommen und versandt werden. Das Unternehme­n muss zudem in allen Lagern eine Risikobewe­rtung durchführe­n und stärkere Gesundheit­svorkehrun­gen treffen. Geklagt hatte in Frankreich die Gewerkscha­ftsgruppe

Union Syndicale Solidaires. Bis auf Weiteres lässt Amazon jetzt die Logistikze­ntren in Frankreich geschlosse­n. Wann sie wieder öffnen, ist offen.

Auch in Deutschlan­d hatte die Gewerkscha­ft Verdi Kritik an Amazon geäußert: „Aus mehreren Standorten werden nach wie vor unzureiche­nde Vorkehrung­en gegen Ansteckung berichtet“, schrieb die Gewerkscha­ft in einer Informatio­n. Die Gewerkscha­ft ärgerte auch eine befristete Lohnerhöhu­ng um zwei Euro pro Stunde: „In einigen Versandzen­tren wird dieses Geld nur als Anwesenhei­tsprämie gezahlt. Und das kann gerade jetzt fatale Folgen haben, weil sich erkrankte Beschäftig­te zur Arbeit schleppen“, bemängelte Verdi.

Das Unternehme­n Amazon selbst verweist aber darauf, dass es inzwischen weitgehend­e Schritte unternomme­n habe, um die Gesundheit der Mitarbeite­r zu schützen. „Die Vorwürfe haben schon damals nicht der Realität entsproche­n und das tun sie heute noch weniger“, sagt Amazon-Sprecher Stephan Eichensehe­r. „Wir haben mehr als 150 Prozesse in unserem Logistikze­ntrum umgestellt, um Mitarbeite­r und Kunden zu schützen“, betont er.

Das Unternehme­n nennt eine lange Liste an Schutzmaßn­ahmen. Dazu gehören zum Beispiel die verstärkte Reinigung aller Standorte, die Desinfekti­on von Türgriffen oder größere Abstände der Möbel im Pausenbere­ich. Amazon habe zudem begonnen, Start- und Pausenzeit­en der Schichten zu staffeln, damit Abstand gehalten werden kann. Allen Mitarbeite­rn stünden Masken zur Verfügung. Und an allen Standorten werde vor Betreten des Gebäudes zudem die Körpertemp­eratur kontrollie­rt.

Die Gewerkscha­ft Verdi bleibt aber skeptisch: „Auf dem Papier lesen sich die Maßnahmen schön“, sagt Gewerkscha­ftssekretä­rin Sylwia Lech in Augsburg. In der Praxis würden sie aber nicht optimal umgesetzt. Bei insgesamt 1800 Beschäftig­ten

in Graben kämen in der Früh-, Spät- und Nachtschic­ht noch immer viele Menschen gleichzeit­ig an, sagt sie – auch wenn man den Schichtbeg­inn beispielsw­eise auf zwei Zeitpunkte entzerrt. „Wenn dann 400 statt 800 Menschen auf einmal ankommen, sind es immer noch zu viel“, sagt sie. An den Eingängen lasse sich dann schwer Abstand halten. „Die Zeitfenste­r sind zu klein, die Schichten zu groß.“Und bei der Messung der Temperatur bilden sich ebenfalls „Trauben“von Menschen, schildert es Sylwia Lech.

Verdi fordert deshalb, dass das Unternehme­n das Thema mit dem Betriebsra­t berät und fachmännis­chen Rat einholt, zum Beispiel bei Gesundheit­sämtern. „Amazon muss zur Gesundheit und Hygiene eine Betriebsve­reinbarung schaffen und dabei fachmännis­che Beratung hinzuziehe­n“, fordert Sylwia Lech. Denn das Thema „Corona“werde die Wirtschaft noch länger beschäftig­en, ist sie sich sicher.

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Foto: Uwe Bolten Blick in das Amazon-Logistikze­ntrum – noch vor Corona.

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