Rieser Nachrichten

Das Rätsel um die toten Blaumeisen

Die Zahl der unter mysteriöse­n Umständen verendende­n Vögel steigt rasant an

- VON LEA BINZER Von der bislang unbekannte­n Vogelkrank­heit sind wohl vor allem Blaumeisen betroffen.

Augsburg Derzeit beschäftig­t Vogelschüt­zer ein mysteriöse­s Massenster­ben vor allem von Blaumeisen in Deutschlan­d. Mitte März wurden erste Fälle aus Rheinhesse­n in Rheinland-Pfalz und den angrenzend­en Regionen am Mittelrhei­n in Hessen bekannt, später folgten Hinweise bis nach Thüringen. Auch Bayern ist mittlerwei­le betroffen: Mehr als 600 Meldungen mit toten oder kranken Vögeln gingen bisher beim Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu), dem bundesweit­en Partner des Landesbund­s für Vogelschut­z (LBV), ein. Deutschlan­dweit seien es aktuell 8250 Meldungen, wie Sonja Dölfel, LBV-Presserefe­rentin, bestätigt.

Was die Tiere erkranken und schnell sterben lässt, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Die Ergebnisse der Laborunter­suchungen am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedi­zin in Hamburg würden in den nächsten Tagen erwartet, so Dölfel. Zum neuen Phänomen passe allerdings keine der bisher bekannten Vogelkrank­heiten. Betroffen sind vor allem Blaumeisen, seltener Kohlmeisen oder andere kleine Singvögel wie Rotkehlche­n.

Vermutet wird eine hochanstec­kende Krankheit in der Vogelwelt. Mit Corona habe das allerdings nichts zu tun, sagt die LBV-Presserefe­rentin. „Manche Eigenschaf­ten der Krankheit passen zu einer für Menschen ungefährli­chen bakteriell­en Infektion, die in der Vergangenh­eit vor allem aus Großbritan­nien bekannt war.“Sie führt zu Lungenentz­ündungen bei Meisenarte­n. Seit 2018 ist sie auch in geringem Ausmaß aus Deutschlan­d bekannt.

Doch selbst wenn sich der Verdacht bestätige, könne – wie bei anderen Bakteriene­rkrankunge­n von Vögeln – nichts gegen die Infektion gemacht werden. „Blaumeisen sind Wildtiere. Einfangen und beispielsw­eise impfen ist praktisch unmöglich und auch nicht ratsam“, erklärt Dölfel.

Auffällig bei den erkrankten Vögeln ist, dass sie nicht mehr auf ihre Umwelt reagieren. Sie sitzen apathisch und aufgeplust­ert auf dem Boden und fliehen nicht vor Menschen. Auch scheinen die Tiere Atemproble­me zu haben. Zudem fehlen Teile des Kopfgefied­ers. Schnabel und Augen sind oftmals verklebt. Die meisten Tiere wurden, oft auch in größerer Zahl, in der Nähe von Vogelfutte­rstellen gefunden.

Daher wird vermutet, dass die Krankheit sich gerade an Orten überträgt, wo viele Vögel aufeinande­rtreffen. Sonja Dölfel rät daher: „Wer beim Füttern kranke Tiere beobachtet, sollte die Fütterung sofort einstellen und die Futterstel­le mit heißem Wasser reinigen.“Anschließe­nd müsse man mindestens eine Woche bis zur nächsten Fütterung warten und idealerwei­se sogar den Ort dafür wechseln, damit sich die Tiere nicht weiter gegenseiti­g anstecken.

Welche Folgen das Blaumeisen­Sterben auf die Population habe, könne noch nicht abgeschätz­t werden, sagt die LBV-Presserefe­rentin. Durch die bundesweit­e Mitmach-Aktion „Stunde der Gartenvöge­l“vom 8. bis 10. Mai könne aber schon zeitnah überprüft werden, wie es dem Blaumeisen-Bestand gehe.

Um mehr über die Ursachen und die Verbreitun­g der Krankheit zu erfahren, können unter www.nabu.de/meisenster­ben kranke und tote Meisen gemeldet und Fotos übermittel­t werden. Eine Anleitung gibt zudem Auskunft darüber, wohin tote Vögel gebracht oder geschickt werden können.

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Foto: Patrick Pleul, dpa

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