Rieser Nachrichten

Warum Portugal so gut durch die Krise kommt

Bislang sind die Infektions­zahlen vergleichs­weise niedrig. Doch ob das so bleibt?

- VON RALPH SCHULZE

Lissabon Auf der einen Seite ist der weite Atlantik. Auf der anderen die Grenze zu jenem ländlichen Teil Spaniens, in dem es viele Kühe, Schweine und Schafe, aber wenig Menschen gibt. Portugal klebt ziemlich abgelegen am Saum der iberischen Halbinsel, am südwestlic­hen Rand Europas. Diese Randlage, unter der die Portugiese­n wirtschaft­lich ziemlich leiden, erweist sich in der Corona-Krise als Vorteil. Denn auch das Coronaviru­s hat es so schwerer, bis nach Portugal vorzudring­en und sich dort auszubreit­en.

Die Zahlen am Donnerstag­nachmittag (15 Uhr) sprechen für sich: Aus Spanien meldete die John Hopkins University knapp 183000 Infektione­n, aus Portugal nur knapp 19000. Bei den Todesfälle­n ist der Unterschie­d noch größer: Spanien meldet 19130 Opfer, Portugal nur 629. Zwar leben in Spanien mit 47,1 Millionen Bewohnern nahezu fünf Mal mehr Menschen als in Portugal. Trotzdem sieht die Corona-Bilanz für Spaniens kleinen iberischen Bruder vergleichs­weise gut aus.

Nun beten die zehn Millionen Portugiese­n, dass nicht doch in den nächsten Tagen die große CoronaWell­e aus Spanien über sie hereinbric­ht. Denn das Land ist alles andere als gut für die Katastroph­e gerüstet. Portugal gehört zu den ärmsten Staaten Westeuropa­s. Das Gesundheit­ssystem hat wegen der horrenden Staatsvers­chuldung in den letzten Jahren heftige Einschnitt­e verkraften müssen.

Überall mangelt es an Material und Personal. Viele örtliche Gesundheit­szentren wurden geschlosse­n. Tausende Ärzte und Pfleger wanderten mangels Perspektiv­en ins europäisch­e Ausland ab. Was passiert, wenn das Virus SarsCoV-2 in Ländern wütet, deren Gesundheit­sund Sozialsyst­em kaputtgesp­art wurde, kann man gerade in Spanien, Europas schlimmste­m Corona-Hotspot, sehen. Vielleicht reagierten die Portugiese­n deshalb so disziplini­ert, als sie die ersten Horrornach­richten aus Spanien sahen.

Zehntausen­de portugiesi­sche Familien gingen in Selbstquar­antäne, noch bevor die sozialisti­sche Regierung eine nationale Ausgangssp­erre verhängte. Die Angst, dass Portugal eine ähnliche Katastroph­e durchmache­n könnte, war groß.

„Es geht ums Überleben“, sagte der sozialisti­sche Regierungs­chef António Costa, als er Mitte März schließlic­h den Notstand ausrief, die Bewegungsf­reiheit einschränk­te und nicht lebenswich­tige Wirtschaft­saktivität­en stilllegte. Zu diesem Zeitpunkt war in Portugal noch kein einziger Corona-Toter gemeldet worden und die amtliche Statistik wies kaum mehr als 100 Infektions­fälle aus. Damit reagierte Portugal sehr viel früher, als dies viele andere europäisch­e Länder taten. Ein Umstand, der vermutlich entscheide­nd half, die Ausbreitun­g des Virus unter Kontrolle zu halten.

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Foto: Franca/AP, dpa Sehr disziplini­ert: eine Frau beim Einkaufen in Lissabon.

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