Eine uralte Tradition fällt aus
Das Landratsamt Donau-Ries hat das Aufstellen von Maibäumen und das Abhalten von Maifeiern untersagt. Zum ersten Mal erwähnt wurde der Brauch bereits 1224, sagt Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler
Ries Erstmals seit Menschengedenken werden heuer in unseren Dörfern keine Maibäume stehen. Schuld daran ist das Coronavirus, das seit Beginn des Jahres 2020 die Welt auf den Kopf stellt. Sämtliche Veranstaltungen sind abgesagt, Schulen und Universitäten noch geschlossen, Ausgangsbeschränkungen fallen nach Wochen immer schwerer, die Wirtschaft steht fast still und Tausende Tote sind inzwischen zu beklagen. Wer mag da schon an das Aufstellen eines Maibaums denken? Zudem kann bei diesem Werk der empfohlene Mindestabstand zwischen beieinander stehenden Personen nicht eingehalten werden und die Ausgangsbeschränkungen, die nur den Gang zum Einkaufen, zum Arzt oder in die Apotheke sowie Spaziergänge oder Joggen erlauben, geben das Maibaumaufstellen auch nicht her. „Die Gesundheit der Bevölkerung geht vor und steht über dem Brauchtum“, meint deshalb der auch für das Brauchtum zuständige Rieser Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler. „Das Landratsamt untersagte mit einer Pressemitteilung vom 16. April das Aufstellen von Maibäumen und das Abhalten von Maifeiern. Im nächsten Jahr ist wieder eine Gelegenheit. Echtes Brauchtum verschwindet wegen diesem heurigen Ausfall nicht so schnell.“
Brauch verbreitete sich in ganz Europa
Die älteste Nachricht für ein „Maien-Stecken“(für Mädchen) in Deutschland stammt aus dem Jahre 1224. Kirchweihbäume, Tanzbäume oder Mädchenbäume sind in Franken ab dem 14. Jahrhundert bezeugt. Während des Dreißigjährigen Krieges steckten in Straßburg Soldaten ihrem Obristen zum Maibeginn einen „Maien“mit Kranz und bunten Bändern. Ab da verbreitete sich dieser Brauch über ganz Europa. Allerdings war das von der Obrigkeit nicht immer gern gesehen, so gab es beispielsweise von 1788 bis 1827 ein fürstliches Verbot des Maienholens im Oettinger Forst.
Diese doch relativ lange Tradition eines Maien-Baums veranlasste die Fundamentalisten der NSDAP im Dritten Reich, genau an dieser Stelle anzusetzen. Sie erklärten den Maibaum als uraltes Brauchtum und zum „germanischen Erbe“. Die Fruchtbarkeit eines Dorfes sei da abzulesen. Die Wappen kamen erst 1889 an den Baum als Zunftzeichen der „siegreichen“Arbeiter, die ihren Arbeitgebern den Acht-Stunden-Tag und den 1. Mai als zusätzlichen Feiertag abgerungen hatten. Der Maibaum stand schon da, die Zeichen kamen dazu eben am „Tag der Arbeit“. Dieser Tag wurde fortan zunächst in Frankreich gefeiert und wurde erst ab 1939 in Deutschland zum gesetzlichen Feiertag. Das Reizvolle am Landkreis Donau-Ries ist die Tatsache, dass hier die drei Volksstämme Baiern, Franken und Schwaben aneinandergeraten sind und gleichzeitig die Vielfalt an Landschaften mit eigenem Charakter. Da ist im Herzen zunächst das Ries rund um Nördlingen, nach Süden hin führt uns die Wörnitz in die bewaldeten Flussauen an Donau und Lech zwischen Donauwörth und Rain, nördlich davon erhebt sich die Monheimer Alb, die wiederum ans Fränkische grenzt. Überall wird mundartlich anders gesprochen, sich früher verschieden gekleidet (Trachten) und von Ort zu Ort werden eigene Sitten und Bräuche gepflegt. So gibt es eben auch nicht nur den einen Maibaum, sondern durchaus verschiedene Ausführungen dieses Brauchtumsbaumes. Im Bayerischen werden nicht jedes Jahr neue Maibäume aufgestellt, wie im Schwäbischen, sondern da bleiben sie meist ohne Gipfel, jedoch oft mit einer Fahne geschmückt, stehen, bis sie unansehnlich sind und die weiß-blaue Farbe abgeblättert ist. Im Fränkischen herrscht immer noch der „Kirwabaam“vor, der von einer Kirchweih bis zur nächsten stehen bleibt und erst dann erneuert wird. So dient dieser Baum auch als Maibaum, halt, weil er sowieso schon steht.
Im schwäbischen Ries allerdings wird der Maibaum als Birke oder
Fichte meist am Vorabend zum 1. Mai aufgestellt und gilt bei uns als Frühlings-Baum. Schon an Fasnacht begann der Kampf Winter – Frühling. Er findet nun am 30. April (Walpurgisnacht) und am 1. Mai sein Ende. Die „bösen Geister“des Winters (Schnee, Sturm, Kälte, Eis) verlieren nun endgültig ihre Macht.
Jahrhundertelang hatte man Angst vor den „bösen Geistern“und Hexen. Man schützte sich, indem man mit Kreide Kreuze an die Türen malte, Hufeisen und Gehörn an die Türpfosten des Stalles nagelte oder je zwei Besen kreuzweise mit dem Stiel nach unten zwischen die Türen stellte.
Die Rinde als Sitz der bösen Geister
Für viele Volkskundler war der Maibaum nichts anderes, als ein alter Stangenkult mit Geister scheuchender Bedeutung. Die ledigen Burschen eines Dorfes holten den Baum im Wald, je mehr es waren, desto größer durfte der Baum sein. War es eine Fichte, wurde sie entastet und entrindet, denn unter der Rinde ist der Sitz des Ungeziefers, sprich der bösen Geister, bis sie ausschaute wie ein großer Besen. Dann wurde der Baum geschmückt mit Zeichen des Frühlings: Kränze sind rund und gelten als Symbol für die Sonne. Möglichst bunte Bänder sollen wieder Farbe ins Jahr bringen. Der Sommer wird vorweggenommen. War der Maibaum mit Schwalben mit Manneskraft aufgestellt, drehten sich früher die Ledigen bei Blechmusik zum Schweinauer um den geschmückten Baum. Vieles ist bis heute geblieben. Doch inzwischen glaubt niemand mehr an Hexen und böse Geister, die vertrieben werden müssen.
Dennoch sieht man jetzt überall viel schönere Maibäume mit noch mehr Schmuckelementen als früher. Girlanden, Schrifttafeln, Fahnen, Wappen, ein geschnitzter Stamm und vieles mehr bereichern den Brauch. In vielen Dörfern aber konnte die Maibaumtradition, die in den 1960er-Jahren einzuschlafen drohte, durch Wettbewerbe wieder belebt werden.
Schuld an dem seinerzeitigen Nachlassen der Maibaum-Aktivitäten waren eine zunehmende Fortschrittsgläubigkeit und die Tatsache, dass viele Plätze zugeteert worden waren. Dazu hingen nun auch elektrische Leitungen von Haus zu Haus, und es war für die Burschen sehr schwierig, dort noch einen Baum aufzustellen, noch schwerer, ihn wieder zu werfen. Maibaumstehlen oder -umsägen gehört wie das Vertragen von nicht aufgeräumten Dingen nach wie vor zum Brauchtum in der Walpurgisnacht, die immer schon eine Hexennacht war, in der man sich vorsehen musste.