Rieser Speditionen müssen kämpfen
Die Corona-Pandemie sorgt für einen deutlich geringeren Warenfluss und lange Staus. Die Krise trifft die Speditionsbranche hart. Was ein Sprecher der IHK befürchtet
Nördlingen Die Krise zeigt zwar, dass Speditionen systemrelevant sind, da sie die Lieferketten aufrechterhalten. Gleichzeitig führt die heruntergefahrene Wirtschaft zu einem massiven Rückgang des Frachtaufkommens. Die Nördlinger Spediteure und ihre Fahrer haben bisher unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
„Wir kämpfen“, sagt Bettina Fritze, Speditionsleiterin bei Döderlein. „Der Auftragsrückgang zieht sich durch alle Branchen. Wir haben Kunden im Hausgerätebereich, die wegbrechen, aber auch kleinere Produktionsstätten. Hauptsächlich betrifft uns aber der Ausfall der Automobilzulieferer.“Im Lebensmittelbereich sei Döderlein kaum tätig und auch der Transport von Medizinprodukten wie etwa Desinfektionsmitteln schlage nicht zu Buche, so Geschäftsführer Klaus Baier. Im Logistikbereich, der zweiten Unternehmenssäule, „werden die Lager immer voller, weil nichts rausgeht“, sagt Baier. Die rückläufige Entwicklung spiegelt sich auch im deutschlandweiten wider: „Insgesamt gibt es nur noch 24 Prozent der Ladung, 76 Prozent des Laderaums der Speditionen stehen zur Verfügung“, sagt Fritze. Normalerweise herrsche in der Zeit um Ostern Hochbetrieb, doch nun musste Kurzarbeit beantragt werden.
Internationale Transporte vergibt Döderlein an Subunternehmer. An der Grenze zu Polen würden die Grenzwartezeiten derzeit immer noch drei bis vier Stunden betragen. Wegen der angespannten Lage wurde in allen Bundesländern das Sonnund Feiertagsfahrverbot ausgesetzt. „Wir sehen jedoch momentan keine Notwendigkeit, das für uns zu nutzen“, sagt Fritze, „unsere Fahrer haben eh schon eine hohe MaximalLenkzeit von zweimal zehn und dreimal neun Stunden pro Woche.“
Osteuropäische Fahrer, die am Wochenende regelmäßig bei ihren Familien zu Hause sind, mussten sich zuletzt in ihren Heimatländern vorübergehend in Quarantäne begeben. Döderlein sei aber darauf vorbereitet gewesen und nach Ablauf der Quarantäne kämen die polnischen und slowakischen Fahrer wieder zurück. Zu den Einschränkungen der Fahrer gehört, dass sie bei manchen Kunden nicht einmal mehr die WCs benutzen dürfen. „Es gibt aber auch viele positive Beispiele von Kunden, die separate Toiletten aufstellen, wo man sich auch die Hände waschen kann“, berichtet Fritze. Allen Fahrern gebe man für die Hygiene Wasserkanister, Seife und Desinfektionsmittel mit.
Kritik an Autohöfen und Raststätten
Timo Stahl, Inhaber der Spedition TST, hat nur von schlechten Erfahrungen seiner Fahrer bei Kunden gehört: „Die Lkw-Fahrer werden behandelt wie Aussätzige. Teilweise dürfen sie nicht mehr die Toiletten benutzen und sich die Hände waschen. Man sollte meinen, dass die Fahrer in der Krise besonders geschätzt würden, aber das Gegenteil ist der Fall. Auch Autohöfe und Raststätten sind teilweise geschlossen. Die Fahrer können nicht duschen und müssen hausen und vegetieren.“Auch Stahl, der 24 Mitarbeiter beschäftigt, hat Kurzarbeit anmelden müssen. „Es geht gar nicht anders.“Zu seiner Fracht zähTransportmarktbarometer
Symbolbild: Frank Rumpenhorst/dpa len Lebensmittel, Hackschnitzel, Sägemehl und Gelbe Säcke. Da die Recyclinghöfe ebenfalls geschlossen sind, kämen auch von dort keine Aufträge mehr. Die Auftragslage sei „verheerend“, das Geschäft mit dem Ausland sei weggebrochen: „Spanien, Italien und BeNeLux ist tot“, klagt Stahl. Bei der Ausfuhr aus Italien sei ein Fahrer von ihm eineinhalb Tage lang zwischen Bozen und dem Brenner auf der Autobahn im Stau gestanden. Die Sonntagsfahrerlaubnis bringe ihm wenig, da seine Kunden werktags geöffnet haben.
Der Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, Dr. Marc Lucassen, sagt zur Lage der Speditionen: „Wir erleben schwere Verwerfungen innerhalb der Branche. Für etliche Unternehmen wird es in den nächsten Monaten ums Überleben gehen. So gab es schon vor Corona einen teils ruinösen Preiswettbewerb in der Branche, und dieser wird danach nicht weniger aggressiv werden. Wir brauchen auch mit Blick auf ausländische Wettbewerber stabile Rahmenbedingungen für den Warenverkehr in Deutschland und in der EU.“