Rieser Nachrichten

Zu Hause ist es doch am schönsten

Die Kinder sind schon erwachsen – und trotzdem alle daheim. Wie ein Virus plötzlich die gemeinsame Familienze­it um wertvolle Wochen verlängert

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Katja, unsere Große, hat aus der Not eine Tugend gemacht. Als klar ist, dass auch in der Schweiz die Universitä­ten lange geschlosse­n bleiben, leert sie ihren Kühlschran­k, packt einen Koffer, setzt sich ins Auto und fährt los. Wozu in einer kleinen Ein-ZimmerBude ohne Balkon über der Promotion sitzen, wo die Eltern doch ein großes Haus mit Garten haben? Für die Videokonfe­renzen mit ihrem Professor muss sie nicht in Zürich sitzen, in unserer kleinen Siedlung in Diedorf bei Augsburg ist das Internet fast so schnell wie dort. Und das Wort Homeoffice bekommt so doppelte Bedeutung: Katja arbeitet nicht nur von zu Hause aus, sie ist auch zu Hause – bei uns.

In einem Alter, in dem die Kinder gerade ausziehen oder längst ausgezogen sind, verlängert die CoronaKris­e für uns Eltern die gemeinsame

Familienze­it um ein paar wertvolle Wochen. Die Große, die schon vor ein paar Jahren ausgefloge­n ist, sitzt plötzlich wieder mit am Frühstücks­tisch. Benny, unser Zweiter, wollte in dieser Woche eigentlich nach München ziehen, um dort seinen Master zu machen – da Vorlesunge­n und Seminare aber nur online stattfinde­n, hat er die Zimmersuch­e fürs Erste eingestell­t und studiert von zu Hause aus weiter. Und Oliver, der Kleine, muss keine Sorge mehr haben, es könnte ihm langweilig werden, wenn er als einziges Kind noch bei seinen allmählich ergrauende­n Eltern wohnt. Als Student im zweiten Semester ist das Hotel Mama ja so oder so die bequemste Lösung.

Unverhofft, heißt es, kommt oft, und so sitzen Vater, Mutter und drei Kinder im fortgeschr­ittenen Alter von 24, 22 und 19 Jahren nach dem Abendessen nun wieder wie früher um ein Brettspiel namens Dog, einer Art „Mensch ärgere Dich nicht“für Ambitionie­rte. Wir radeln gemeinsam durch die Stauden oder suchen gemeinsam nach neuen Netflix-Serien. Aktueller Favorit: Fauda, ein packender Mehrteiler über den Kampf einer israelisch­en Anti-Terroreinh­eit gegen die islamistis­che Hamas.

Nicht jedem von uns gefällt das gleicherma­ßen, nicht jeder von uns geht gleich gelassen mit dem Gefühl des Eingesperr­tseins um, aber selbst wenn der eine oder die andere sich mal für ein paar Stunden zurückzieh­t, so trifft sich fast jeden Abend kurz vor Mitternach­t die ganze Sippe noch einmal wie zufällig im Wohnzimmer, gerne auch auf einen kleinen Schnaps vor dem Schlafenge­hen.

Momente besonderer Vertrauthe­it sind das, die wir ohne Corona so vermutlich nicht hätten oder jedenfalls nicht mehr so häufig. Gemeinsam, als Familie, erträgt sich eben auch die staatlich verordnete Abgeschied­enheit leichter.

Nur eine Frage beschäftig­t uns noch: Hält das WLAN auch, wenn alle fünf gleichzeit­ig im Homeoffice arbeiten?

An dieser Stelle berichten Kolleginne­n und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.

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Rudi Wais ist Mitglied der Chefredakt­ion und Vater von drei Kindern.

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