Der Wettlauf um einen Impfstoff
Erstmals werden klinische Tests an Menschen in Deutschland gestartet. Doch ein Immunologe aus Bern setzt zum Überholen an. Die Uniklinik Augsburg geht einen anderen Weg
Mainz Ist das der Beginn eines Durchbruchs im Kampf gegen das Coronavirus? Das Paul-Ehrlich-Institut im südhessischen Langen hat am Mittwoch erstmals die Genehmigung für das Testen eines CoronaImpfstoffes an Menschen in Deutschland erteilt. Es handelt sich um den Wirkstoff BNT162b1 des Mainzer Unternehmens Biontech. Die Studie der sogenannten klinischen Phasen I und II soll Ende April beginnen – an rund 200 gesunden Menschen zwischen 18 und 55 Jahren. Erste Daten werden demnach im Juni vorliegen. Sofern diese ersten Tests positiv verlaufen, sollen mehr Probanden und auch Risikopatienten in die Prüfung einbezogen werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach von einem guten Signal. Es werde aber noch Monate dauern, bis tatsächlich ein Impfstoff zur Verfügung stehen könne, schränkte er ein. Eigentlich dauert die Entwicklung eines Impfstoffes viele Jahre. Das Zulassungsschema für neue Medikamente (also nicht nur für Impfstoffe) unterliegt mehreren Testphasen und weltweit den gleichen Normen.
Das Mainzer Unternehmen kooperiert bei der Entwicklung des Impfstoffs mit dem US-amerikanischen Pharmaunternehmen Pfizer. Eine Studiengenehmigung in den USA werde in Kürze erwartet, hieß es. Unter den Pharmaunternehmen ist weltweit ein regelrechter Wettlauf bei der Entwicklung eines Impfstoffes entstanden. Über 80
sind derzeit in Arbeit, viele von ihnen haben allerdings noch gar keine Zulassung für klinische Studien an Menschen. In dieser Phase befinden sich lediglich zwei Projekte der US-Unternehmen Moderna und Inovio, zudem ein englisches und fünf chinesische Forschungsvorhaben. Dazu kommt nun das am Mittwoch genehmigte deutsch-amerikanische Projekt.
Noch längst nicht in der klinischen Phase ist der Impfstoffkandidat des Schweizer Immunologen Martin Bachmann vom Universitätsspital in Bern. Dieser hat aber äußerst ambitionierte Pläne. Er will die nötigen Studien und Genehmigungsverfahren so schnell durchlaufen, dass er schon im Oktober Massenimpfungen in der Schweiz für möglich hält. Die eidgenössische Aufsichtsbehörde Swissmedic bestätigte denn auch Gespräche mit
Bachmann. „Der Zeitplan ist äußerst optimistisch, aber er ist nicht komplett an den Haaren herbeigezogen“, sagte Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi. Eine erste kleine Erprobung am Menschen – eine sogenannte Phase-I-Studie – soll Bachmann zufolge im Juli starten. Der Swissmedic-Sprecher bestätigte, dass in begründeten Fällen wie bei Covid-19 befristete Zulassungen schon vor Abschluss der klinischen Studien erteilt werden könnten.
Erst die Studienergebnisse der insgesamt drei Phasen würden aber zeigen, ob sich der Impfstoff-Kandidat als wirksam erweist und ob er frei von nicht akzeptablen Nebenwirkungen ist. Bachmann setzt auf ein Verfahren mit virenähnlichen Partikeln, die im Körper eine Abwehrreaktion auf den Erreger auslösen sollen. Mit virenähnlichen Partikeln funktionieren auch die ImpfImpfstoffprojekte stoffe gegen das Papilloma-Virus (HPV), das Gebärmutterhalskrebs auslösen kann, und Hepatitis B.
Inzwischen ist auch bekannt, dass aus dem Blutplasma von genesenen Corona-Patienten Antikörper gewonnen werden können. Die Uniklinik Augsburg hatte darum einen Aufruf an bereits gesundete Menschen aus der Region gestartet. „Die Resonanz auf unseren Plasmaspendenaufruf war sehr groß, es haben sich viele potenzielle Spender bei uns gemeldet“, sagte Dr. Stefanie Grützner, Direktorin des Instituts für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie an der Uniklinik, unserer Redaktion. „Bislang haben wir 14 Patienten in Augsburg mit den Antikörpern behandelt. Bei einigen Patienten konnten wir den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen.“Für eine wissenschaftliche Bewertung zum Erfolg dieser Therapie sei es aber noch viel zu früh. „Dazu wissen wir einfach noch zu wenig darüber“, betonte die Ärztin.
Von Impfstoffen (die die Bildung von Antikörpern anregen) und aus Blutplasma gewonnenen Antikörpern völlig zu unterscheiden sind Virostatika – also Medikamente, die Viren töten oder unschädlich machen sollen. Aktuelle Beobachtungen aus der Uniklinik Chicago zeigen, dass das bereits existierende Anti-Ebola-Mittel Remdesivir zum Hoffnungsträger als Anti-CoronaVirostatikum avancieren könnte. Studien mit Remdesivir finden auch schon geraume Zeit an deutschen Kliniken statt. Abschließende Ergebnisse liegen aber bisher noch nicht vor.