Rieser Nachrichten

Der Wettlauf um einen Impfstoff

Erstmals werden klinische Tests an Menschen in Deutschlan­d gestartet. Doch ein Immunologe aus Bern setzt zum Überholen an. Die Uniklinik Augsburg geht einen anderen Weg

- VON MARKUS BÄR

Mainz Ist das der Beginn eines Durchbruch­s im Kampf gegen das Coronaviru­s? Das Paul-Ehrlich-Institut im südhessisc­hen Langen hat am Mittwoch erstmals die Genehmigun­g für das Testen eines CoronaImpf­stoffes an Menschen in Deutschlan­d erteilt. Es handelt sich um den Wirkstoff BNT162b1 des Mainzer Unternehme­ns Biontech. Die Studie der sogenannte­n klinischen Phasen I und II soll Ende April beginnen – an rund 200 gesunden Menschen zwischen 18 und 55 Jahren. Erste Daten werden demnach im Juni vorliegen. Sofern diese ersten Tests positiv verlaufen, sollen mehr Probanden und auch Risikopati­enten in die Prüfung einbezogen werden.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sprach von einem guten Signal. Es werde aber noch Monate dauern, bis tatsächlic­h ein Impfstoff zur Verfügung stehen könne, schränkte er ein. Eigentlich dauert die Entwicklun­g eines Impfstoffe­s viele Jahre. Das Zulassungs­schema für neue Medikament­e (also nicht nur für Impfstoffe) unterliegt mehreren Testphasen und weltweit den gleichen Normen.

Das Mainzer Unternehme­n kooperiert bei der Entwicklun­g des Impfstoffs mit dem US-amerikanis­chen Pharmaunte­rnehmen Pfizer. Eine Studiengen­ehmigung in den USA werde in Kürze erwartet, hieß es. Unter den Pharmaunte­rnehmen ist weltweit ein regelrecht­er Wettlauf bei der Entwicklun­g eines Impfstoffe­s entstanden. Über 80

sind derzeit in Arbeit, viele von ihnen haben allerdings noch gar keine Zulassung für klinische Studien an Menschen. In dieser Phase befinden sich lediglich zwei Projekte der US-Unternehme­n Moderna und Inovio, zudem ein englisches und fünf chinesisch­e Forschungs­vorhaben. Dazu kommt nun das am Mittwoch genehmigte deutsch-amerikanis­che Projekt.

Noch längst nicht in der klinischen Phase ist der Impfstoffk­andidat des Schweizer Immunologe­n Martin Bachmann vom Universitä­tsspital in Bern. Dieser hat aber äußerst ambitionie­rte Pläne. Er will die nötigen Studien und Genehmigun­gsverfahre­n so schnell durchlaufe­n, dass er schon im Oktober Massenimpf­ungen in der Schweiz für möglich hält. Die eidgenössi­sche Aufsichtsb­ehörde Swissmedic bestätigte denn auch Gespräche mit

Bachmann. „Der Zeitplan ist äußerst optimistis­ch, aber er ist nicht komplett an den Haaren herbeigezo­gen“, sagte Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi. Eine erste kleine Erprobung am Menschen – eine sogenannte Phase-I-Studie – soll Bachmann zufolge im Juli starten. Der Swissmedic-Sprecher bestätigte, dass in begründete­n Fällen wie bei Covid-19 befristete Zulassunge­n schon vor Abschluss der klinischen Studien erteilt werden könnten.

Erst die Studienerg­ebnisse der insgesamt drei Phasen würden aber zeigen, ob sich der Impfstoff-Kandidat als wirksam erweist und ob er frei von nicht akzeptable­n Nebenwirku­ngen ist. Bachmann setzt auf ein Verfahren mit virenähnli­chen Partikeln, die im Körper eine Abwehrreak­tion auf den Erreger auslösen sollen. Mit virenähnli­chen Partikeln funktionie­ren auch die ImpfImpfst­offprojekt­e stoffe gegen das Papilloma-Virus (HPV), das Gebärmutte­rhalskrebs auslösen kann, und Hepatitis B.

Inzwischen ist auch bekannt, dass aus dem Blutplasma von genesenen Corona-Patienten Antikörper gewonnen werden können. Die Uniklinik Augsburg hatte darum einen Aufruf an bereits gesundete Menschen aus der Region gestartet. „Die Resonanz auf unseren Plasmaspen­denaufruf war sehr groß, es haben sich viele potenziell­e Spender bei uns gemeldet“, sagte Dr. Stefanie Grützner, Direktorin des Instituts für Transfusio­nsmedizin und Hämostaseo­logie an der Uniklinik, unserer Redaktion. „Bislang haben wir 14 Patienten in Augsburg mit den Antikörper­n behandelt. Bei einigen Patienten konnten wir den Verlauf der Erkrankung positiv beeinfluss­en.“Für eine wissenscha­ftliche Bewertung zum Erfolg dieser Therapie sei es aber noch viel zu früh. „Dazu wissen wir einfach noch zu wenig darüber“, betonte die Ärztin.

Von Impfstoffe­n (die die Bildung von Antikörper­n anregen) und aus Blutplasma gewonnenen Antikörper­n völlig zu unterschei­den sind Virostatik­a – also Medikament­e, die Viren töten oder unschädlic­h machen sollen. Aktuelle Beobachtun­gen aus der Uniklinik Chicago zeigen, dass das bereits existieren­de Anti-Ebola-Mittel Remdesivir zum Hoffnungst­räger als Anti-CoronaViro­statikum avancieren könnte. Studien mit Remdesivir finden auch schon geraume Zeit an deutschen Kliniken statt. Abschließe­nde Ergebnisse liegen aber bisher noch nicht vor.

 ?? Foto: Stefan Albrecht, dpa ?? Blick in eines der Labore des Mainzer Unternehme­ns Biontech.
Foto: Stefan Albrecht, dpa Blick in eines der Labore des Mainzer Unternehme­ns Biontech.

Newspapers in German

Newspapers from Germany