Rieser Nachrichten

Nördlinger Gastronomi­e: Ein stiller Hilferuf

Gastwirte protestier­en auf dem Marktplatz. Sie wollen ihre prekäre Lage in der Krise deutlich machen

- VON DAVID HOLZAPFEL

Nördlingen Es ist ein ungewöhnli­ches Bild, das sich an diesem Freitagmit­tag auf dem Nördlinger Marktplatz bietet. Dutzende Stühle stehen da unweit des Daniels. Stühle, die wegen der Corona-Schutzmaßn­ahmen derzeit leer bleiben müssen. Die Nördlinger Gastwirte haben zahlreiche Blätter Papier mit ihren Firmenlogo­s mitgebrach­t und an die jeweiligen Lehnen gehängt. Die Aktion ist ein stummer Protestruf, die prekäre Lage der Hotel- und Gastronomi­ebranche in der CoronaKris­e soll so deutlich werden. Nicht wenige Betriebe kämpfen um ihr Überleben.

Ab Montag dürfen kleine Einzelhand­elsbetrieb­e bis 800 Quadratmet­er wieder öffnen, eine Woche später die Friseure. Für Restaurant­s, Biergärten und Bars ist die Zukunft indes weiter ungewiss. „Wir hängen in der Luft“, sagt der Nördlinger Gastwirt Ulrich Raab vom „Schlössle“. Er geht davon aus, dass mindestens jeder dritte Gastronom nicht bis

Juli durchhalte­n wird. Raab war es, der den bundesweit­en Prostest mit dem Namen „Leere Stühle“nach Nördlingen geholt hat. Alles begann am 17. April in Dresden. Am heutigen Freitag stellen Bar- und Restaurant­besitzer in mehr als 50 deutschen Städten ihre leeren Stühle auf.

Insgesamt zehn Nördlinger Unternehme­n mit über 50 Mitarbeite­rn beteiligen sich an der Aktion. In einer Pressemitt­eilung schildern sie ihre schwierige Situation: „Unsere Gastronomi­e steht vor dem Aus.“Seit mehr als sechs Wochen seien die Lokale nun schon geschlosse­n. Aus gesundheit­licher Sicht könne man die Schließung­en voll nachvollzi­ehen, heißt es weiter. Kredite, Gehälter, Umsatzeinb­ußen: „Aber unsere Kosten laufen ja trotzdem weiter“, sagt Raab.

Man wolle mit dem Protest nicht meckern, betont Gastwirt Ulrich Wenger von „Wengers Brettl“. Vielmehr ginge es darum, Aufmerksam­keit zu erwecken: bei der Bundesregi­erung, der bayerische­n Staatsregi­erung und bei der Bevölkerun­g. Außerdem wollen die Gastronome­n endlich Klarheit darüber, wie der weitere Fahrplan der Regierung aussieht. Denn der ist nach wie vor ungewiss. Die Gastwirte beklagen, bei den letzten Lockerunge­n der Schutzmaßn­ahmen nicht berücksich­tigt worden zu sein. Mindestens bis Pfingsten sollen Hotels und Gaststätte­n in Bayern noch geschlosse­n bleiben, verkündete Ministerpr­äsident Markus Söder vor Kurzem. Und dann? „Wir werden vermutlich auch danach nicht gleich wieder voll durchstart­en können“, sagt Raab. Denn ungewiss ist auch, welches Ausmaß die Corona-Maßnahmen bei einer Wiedereröf­fnung hätten. Also, wie viele Besucher dann in ein Lokal dürfen oder ob die für die Gastronomi­en so wichtigen Veranstalt­ungen stattfinde­n können. Raab sagt: „Wir laufen mit sehr vielen Fragezeich­en herum.“

Die meisten Betriebe im bayerische­n Gastgewerb­e haben derzeit Kurzarbeit beantragt. Zudem wartet ein Großteil von ihnen auf finanziell­e Hilfe vom Staat oder hat bereits Zahlungen erhalten. Die Nördlinger Gastronome­n beklagen jedoch, die Soforthilf­en der Regierung reichten nicht einmal, die Lohnkosten zu decken. In ihrer Pressemitt­eilung appelliere­n sie: „Bitte kämpfen Sie mit uns um ein wenig Entschädig­ung für eine scheinbar vergessene Branche.“Dieser Kampf, so scheint es, wird noch eine Weile andauern.

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Foto: Anton Färber Protestier­en gegen das drohende Aus: Nördlinger Gastwirte beteiligen sich an der bundesweit­en Aktion „Leere Stühle“.

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