Nördlinger Gastronomie: Ein stiller Hilferuf
Gastwirte protestieren auf dem Marktplatz. Sie wollen ihre prekäre Lage in der Krise deutlich machen
Nördlingen Es ist ein ungewöhnliches Bild, das sich an diesem Freitagmittag auf dem Nördlinger Marktplatz bietet. Dutzende Stühle stehen da unweit des Daniels. Stühle, die wegen der Corona-Schutzmaßnahmen derzeit leer bleiben müssen. Die Nördlinger Gastwirte haben zahlreiche Blätter Papier mit ihren Firmenlogos mitgebracht und an die jeweiligen Lehnen gehängt. Die Aktion ist ein stummer Protestruf, die prekäre Lage der Hotel- und Gastronomiebranche in der CoronaKrise soll so deutlich werden. Nicht wenige Betriebe kämpfen um ihr Überleben.
Ab Montag dürfen kleine Einzelhandelsbetriebe bis 800 Quadratmeter wieder öffnen, eine Woche später die Friseure. Für Restaurants, Biergärten und Bars ist die Zukunft indes weiter ungewiss. „Wir hängen in der Luft“, sagt der Nördlinger Gastwirt Ulrich Raab vom „Schlössle“. Er geht davon aus, dass mindestens jeder dritte Gastronom nicht bis
Juli durchhalten wird. Raab war es, der den bundesweiten Prostest mit dem Namen „Leere Stühle“nach Nördlingen geholt hat. Alles begann am 17. April in Dresden. Am heutigen Freitag stellen Bar- und Restaurantbesitzer in mehr als 50 deutschen Städten ihre leeren Stühle auf.
Insgesamt zehn Nördlinger Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern beteiligen sich an der Aktion. In einer Pressemitteilung schildern sie ihre schwierige Situation: „Unsere Gastronomie steht vor dem Aus.“Seit mehr als sechs Wochen seien die Lokale nun schon geschlossen. Aus gesundheitlicher Sicht könne man die Schließungen voll nachvollziehen, heißt es weiter. Kredite, Gehälter, Umsatzeinbußen: „Aber unsere Kosten laufen ja trotzdem weiter“, sagt Raab.
Man wolle mit dem Protest nicht meckern, betont Gastwirt Ulrich Wenger von „Wengers Brettl“. Vielmehr ginge es darum, Aufmerksamkeit zu erwecken: bei der Bundesregierung, der bayerischen Staatsregierung und bei der Bevölkerung. Außerdem wollen die Gastronomen endlich Klarheit darüber, wie der weitere Fahrplan der Regierung aussieht. Denn der ist nach wie vor ungewiss. Die Gastwirte beklagen, bei den letzten Lockerungen der Schutzmaßnahmen nicht berücksichtigt worden zu sein. Mindestens bis Pfingsten sollen Hotels und Gaststätten in Bayern noch geschlossen bleiben, verkündete Ministerpräsident Markus Söder vor Kurzem. Und dann? „Wir werden vermutlich auch danach nicht gleich wieder voll durchstarten können“, sagt Raab. Denn ungewiss ist auch, welches Ausmaß die Corona-Maßnahmen bei einer Wiedereröffnung hätten. Also, wie viele Besucher dann in ein Lokal dürfen oder ob die für die Gastronomien so wichtigen Veranstaltungen stattfinden können. Raab sagt: „Wir laufen mit sehr vielen Fragezeichen herum.“
Die meisten Betriebe im bayerischen Gastgewerbe haben derzeit Kurzarbeit beantragt. Zudem wartet ein Großteil von ihnen auf finanzielle Hilfe vom Staat oder hat bereits Zahlungen erhalten. Die Nördlinger Gastronomen beklagen jedoch, die Soforthilfen der Regierung reichten nicht einmal, die Lohnkosten zu decken. In ihrer Pressemitteilung appellieren sie: „Bitte kämpfen Sie mit uns um ein wenig Entschädigung für eine scheinbar vergessene Branche.“Dieser Kampf, so scheint es, wird noch eine Weile andauern.