Österreich fährt hoch
Restaurants dürfen bald wieder Gäste bewirten. Und auch Tourismus soll schon ab Ende Mai wieder möglich sein. Was das für Urlauber aus Deutschland bedeutet
Wien/Innsbruck Die Alpenrepublik macht ernst – und lockert ihre AntiCorona-Maßnahmen massiv. Zwar sind die damit verbundenen Auflagen hoch. Vor allem die Tourismuswirtschaft kann aber etwas aufatmen. Sie erwirtschaftet knapp ein Fünftel des österreichischen Bruttoinlandsprodukts und stellt ein Fünftel der Arbeitsplätze. Insofern besteht Handlungsbedarf. Während der Corona-Krisenwochen durften Hotels nur Geschäftsleute unterbringen. Ab dem 29. Mai, gerade noch rechtzeitig vor Pfingsten, werden sie wieder für Urlauber öffnen. Dabei müssen Hotelgäste aber selbst in den Wellnessbereichen die Regeln einhalten, die weiterhin allgemein gelten, also zumindest bis zum 30. Juni die Abstands- und Maskenpflicht.
Bereits ab dem 15. Mai können Gasthäuser zwischen 6 und 23 Uhr Gäste bewirten. An einem Restauranttisch dürfen höchstens vier Erwachsene und die dazugehörigen Kinder sitzen. Und zwischen den Gästegruppen soll ein Meter Abstand herrschen. Servicemitarbeiter müssen Masken oder Gesichtsvisiere tragen. Diese Regeln seien gemeinsam mit Gastronomen erarbeitet worden, betonte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger.
Doch der Neustart im Tourismus könnte sich zunächst auf einheimische und tschechische Gäste beschränken. Erst am Wochenende hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Berlin die Hoffnungen auf deutsche Urlauber gedämpft: „Was ein Infektionscluster in einem beliebten Urlaubsgebiet in den Heimatländern der Touristen anrichten kann, haben wir bereits erlebt. Das darf sich nicht wiederholen“, sagte er und erinnerte damit an den Corona-Hotspot Ischgl in Tirol.
In Tirol werden die Versäumnisse der Landesbehörden, der Wirte und der Politik inzwischen offen diskutiert. Der Wirt der Après-Ski-Bar „Kitzloch“, wo sich viele Ski-Touristen mit dem Coronavirus infizierten, verteidigt sich damit, sich strikt an die Anweisungen der Gesundheitsbehörden gehalten zu haben. Doch das reicht etwa der Tiroler Tageszeitung nicht. Sie kritisiert, dass sich „für die Fehleinschätzungen zum Coronavirus in Ischgl noch niemand entschuldigt“habe. „Am Ende wird hier wohl kein Stein auf dem anderen bleiben. Und ein großer Brocken davon wird die Politik treffen“, wird prognostiziert. In der kommenden Woche soll ein Zwischenbericht der Polizei Tirols vorliegen. Auf seiner Grundlage wird über weitere Ermittlungen gegen die Verantwortlichen entschieden.
Mehr als 250 deutsche Urlauber haben sich jedenfalls dem Ermittlungsverfahren zur Aufklärung der Ausbreitung des Coronavirus in Tirol angeschlossen. „Bislang haben 285 Personen aus mehreren Ländern erklärt, sich als Opfer dem Verfahren anzuschließen – etwa 90 Prozent davon kommen aus Deutschland“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Hansjörg Mayr. Die Behörde ermittelt derzeit wegen „Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“.
Außerdem sammelt der österreichische Verbraucherschützer Peter Kolba seit einigen Wochen Zuschriften von Touristen, die sich ihrer Ansicht nach in Tirol angesteckt haben. Insgesamt erhielt er rund 5000 Zuschriften, rund 70 Prozent davon aus Deutschland. Kolbas Verbraucherschutzverein strebt nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen einen Zivilprozess an und will für die Betroffenen Schadenersatz in Millionenhöhe erstreiten.
Von der Regierung in Wien werden Fragen zu Ischgl derzeit meist ignoriert oder auf die Zeit nach der Krise vertagt. Nachdem die bisherigen Ausgangsbeschränkungen am 29. April enden und ab 1. Mai Veranstaltungen mit bis zu zehn Teilnehmern und bei Beerdigungen 30 Teilnehmer erlaubt werden, wurde im Parlament eine Regelung beschlossen, die Demonstrationen unter Auflagen ermöglicht. Mehrmals waren Demos aufgelöst worden, weil sie gegen die Corona-Beschränkungen verstießen. Jetzt soll eine Änderung im Versammlungsrecht Abhilfe schaffen. Beschlossen wurden in Wien auch etliche Sozialgesetze, die die Situation besonders gefährdeter Menschen verbessern. Stellen Arbeitgeber sie frei, werden Lohn und Lohnnebenkosten vom Staat übernommen. Auch die Leistungen für Arbeitslose werden erhöht.