„So schnell wie möglich wieder spielen“
Appelle Nicht nur die bayerischen Intendanten fordern die Politik auf, dass der Bühnenvorhang wieder hochgeht. Zuvor freilich müssen von den Veranstaltern Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden
Im deutschen Theater- und Konzertbetrieb, egal ob öffentlich gefördert oder privatwirtschaftlich betrieben, mehren sich deutlich fordernde Stimmen, die Bühnen – unter Sicherheitsvorkehrungen gegen Corona – zumindest schrittweise wieder zu öffnen. So heißt es in einem Brief der Konferenz von Generalmusikdirektoren und Chefdirigenten an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU): „Nicht nur Baumärkte, Möbelhäuser und die Fußball-Bundesliga haben eine klare Perspektive und klare Regeln für einen Neuanfang verdient.“
Und in einem weiteren Brief an Grütters warnt die deutsche Konzerthauskonferenz davor, dass die Konzertbranche in ihrer wirtschaftlichen Existenz „nachhaltig und unwiederbringlich“gefährdet sei. Deshalb müssten jetzt die Konzerthäuser in die Lage versetzt werden, „einen eingeschränkten Betrieb unter Maßgabe des Infektionsschutzes“zu ermöglichen. Der Konzerthauskonferenz gehören große Einrichtungen wie die Hamburger Elbphilharmonie, die Kölner Philharmonie, das Konzerthaus Berlin und das Festspielhaus Baden-Baden an.
Zeitgleich mit der Veröffentlichung dieser zwei Briefe an Grütters tagten am Dienstagnachmittag in Regensburg zusammen mit Kunstminister Bernd Sibler die bayerischen Intendanten. Auch sie kamen zu dem Schluss, dass „die bayerischen Theater – unter allen notwendigen hygienischen Maßnahmen – so schnell wie möglich wieder Theater spielen wollen“, wie Augsburgs Staatstheater-Intendant André Bücker das Ergebnis der Konferenz zusammenfasst.
Ein Statement, ein Appell zu diesem dringlichen Wunsch werde in Abstimmung mit dem Kunstministerium in den kommenden Tagen veröffentlicht. Bücker: „Natürlich hat es noch keinen Lösungsdurchbruch gegeben“, aber man habe der Politik, bei der die Kultur in Zusammenhang mit Corona nun endlich ein Thema sei, konstruktive Vorschläge unterbreitet. So wolle die Landes-Intendantengruppe eine Expertenkommission benennen, die der Politik Vorschläge und Entscheidungshilfen anbietet, wie etwa die Theaterkollektive Chor und Orchester künftig zu schützen seien. Diese Frage betrifft, so Bücker, mehrere bayerische Bühnen, wohingegen – auf der anderen Seite – der Schutz des Publikums an jedem Haus der jeweiligen räumlichen Situation angepasst, also individuell garantiert werden müsse. Das Augsburg sei diesbezüglich schon weit mit seinen Vorüberlegungen: Man entwickle Konzepte hinsichtlich gestaffelter Publikums-Einlassregelungen, hinsichtlich Sitzplatzabstand, hinsichtlich Hygieneanforderungen, hinsichtlich Pause und gegebenenfalls Gastronomie. Bücker: „Es ist klar, dass das Theater nicht mehr so sein wird wie vor vier Monaten, aber unsere Absicht ist es, ab September wieder eine volle Spielzeit zu bestreiten.“Er, Bücker, müsse in Sachen Sicherheit in zwei Richtungen denken: Mitarbeiter hier, Publikum dort. Es sei nun wichtig, im intensiven Austausch mit den Staatsbehörden und dem Gesundheitsamt zu bleiben.
Auch Kathrin Mädler, Intendantin des Landestheaters Schwaben in Memmingen, sieht nun den Schritt getan, dass „in aller Differenziertheit darüber nachgedacht wird, wie das Auferstehen der Kultur vonstattengehen kann“. Und sie fügt hinzu: „Für uns sind die Pauschalverbote ganz schwierig.“Jetzt aber hätten die bayerischen Intendanten „sehr deutlich ihre Beunruhigungen darüber formuliert, dass die Kultur bislang in der Corona-Krise nicht als gesellschaftlicher und sozialer Faktor betrachtet wurde“. Diese Beunruhigung sei nun auf politischer Ebene deponiert und werde durch
Kunstminister Sibler wohl auch auf Söder-Ebene vertreten.
Der dringende Wunsch, den Spielbetrieb an Theatern und Konzerthäusern wiederaufzunehmen, ist ein Problem in Sachen Corona-Pandemie, ein weiteres ist die finanziell notwendige Unterstützung der Spielstätten und ihrer Mitarbeiter/ Künstler in dieser Situation. Dort wird nun Kulturstaatsministerin
Grütters tätig: Sie kündigt CoronaHilfen des Bundes an. Zum Beispiel 5,4 Millionen Euro Soforthilfe für freie Orchester und Ensembles, die nicht überwiegend durch öffentliche Gelder finanziert werden. So das Mahler Chamber Orchestra, das Ensemble Modern und das Freiburger Barockorchester. Antragsteller können bis zu 200 000 Euro aus dem Soforthilfeprogramm erhalten.
Ein Schwerpunkt des Programms liegt auf der Förderung von Präsentationsund Vermittlungsformaten, die in Reaktion auf die besonderen Bedingungen der Pandemie entwickelt werden. Grütters: „Das Musikleben ist durch Corona zum Erliegen gekommen. Das ist existenzgefährdend, besonders für alle freiStaatstheater en Orchester und Ensembles.“Deshalb stelle der Bund nun Mittel zur Verfügung. Die Mittel dazu stammen aus dem Förderprogramm „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“und werden nun für das einmalige Corona-Hilfsprogramm umgewidmet.
Zum Zweiten ermöglicht es Grütters ab sofort, Honorare für Engagements zu zahlen, die wegen der Corona-Krise abgesagt wurden. Die Regelung gilt für Kultureinrichtungen und Projekte, die vom Bund gefördert werden. Diese können Ausfallhonorare von bis zu 60 Prozent der eigentlichen Gage zahlen. Die Regelung sieht vor, dass ausgefallene Engagements von freiberuflichen Künstlern auch vergütet werden können, wenn es keine entsprechende vertragliche Regelung über Ausfallhonorare gibt. Voraussetzung ist, dass das Engagement bis 15. März vereinbart wurde. Wenn für die Veranstaltung eine Gage unter 1000 Euro vorgesehen war, kann ein Ausfallhonorar von bis zu 60 Prozent des Nettoentgelts zuwendungsrechtlich anerkannt werden. Bei Gagen über 1000 Euro können Künstler bis 40 Prozent des Nettoentgelts erhalten; die Obergrenze des Ausfallhonorars liegt bei 2500 Euro.
Der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda aber sieht Bedarf für ein viel größeres Förderprogramm im Milliardenbereich. Damit solle direkt die Produktion von Kultur angekurbelt werden. „Wir sollten überlegen, wie wir rauskommen aus einer Logik, derzufolge wir nur die Ausfälle kompensieren“, sagte Brosda, der auch für SPD-geführte Länder verhandelt. Die aktuellen Hilfen haben aus Sicht des Kultursenators eine zu defensive Perspektive. „Wir müssen viel mehr darüber nachdenken, wie wir Förderprogramme entwickeln, die die Produktion von Kunst und von kulturellen Angeboten auch unter den Bedingungen von Corona ermöglichen.“Kulturproduktion müsse wieder gefördert werden.
„Damit erübrigt sich ein Stück weit die Frage, inwiefern wir Künstler in Hilfssysteme verweisen müssen, weil wir dann wieder fördern, dass sie Kunst schaffen können“, sagte der Vorsitzende des SPD-Kulturforums. „Dafür haben die Länder Mechanismen mit ihren Fördersystemen, dafür hat der Bund mit seinen großen Fonds und Stiftungen Mechanismen.“Brosda sieht ein immenses Potenzial. „Wenn wir alles zusammenzählen, was Länder, Bund und Kommunen machen, kommen wir sicher in einen Bereich von bis zu zwei Milliarden Euro, die man bewegen muss.“
Grütters: „Das ist existenzgefährdend“