Rieser Nachrichten

Heimat, Brauchtum und Tradition

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PATER ANDREAS ROHRING CMM, MARIANNHIL­LER REIMLINGEN

A ls Ministerpr­äsident Markus Söder und der Münchner Oberbürger­meister Dieter Reiter bekanntgab­en, dass das Oktoberfes­t in diesem Jahr nicht stattfinde­n wird, war die Bestürzung groß. Es gab sogar Stimmen, die meinten, dass damit ein Stück bayerische­s Brauchtum verloren gehen würde. Morgen ist der 1. Mai, und in vielen Dörfern hier bei uns hat man sich seit Monaten schon auf das Fest zum Aufstellen des Maibaums gefreut. Auch diese Feste sind nun abgesagt. Vieles, was uns in den letzten Jahrzehnte­n ans Herz gewachsen ist, fällt aus. Höchste Zeit, sich also einmal die Begriffe Heimat, Brauchtum und Tradition genauer anzuschaue­n. Sie sind vielschich­tig. Sie haben mit einer Region zu tun. Denn wir Menschen brauchen einen Raum in mittlerer Reichweite, in dem wir Sicherheit und Verlässlic­hkeit erfahren können, einen Ort tieferen Vertrauens.

Dieses Vertrauen braucht aber mehr als die reine Kulisse der Städte und der Natur. Heimat etwa beschreibt einen Lebenszusa­mmenhang, in dem ich zu Hause bin. Das kann an dem Ort sein, an dem ich geboren wurde und etliche Jahre gelebt habe. Es kann aber auch an einem Ort sein, den ich mir zur Heimat mache. Den andere mir zur Heimat werden lassen.

Heimat, Brauchtum und Tradition, das sind dynamische Prozesse, eine Geschichte mit einer Wechselwir­kung von mir und anderen. Unsere Städte und unsere Lebensgewo­hnheiten sehen heute anders aus als vor 50 Jahren: Italienisc­he Eisdielen, türkische Döner-Buden, schwedisch­e Möbelhäuse­r – unsere Region ist bunter geworden. Und sie wird sich weiter verändern. Wenn wir nicht mit einem Geist der Verzagthei­t, sondern mit Kraft, mit Liebe und Besonnenhe­it ans Werk gehen, dann wird es uns trotz der Corona-Pandemie gelingen, gemeinsam mit allen anderen Motivierte­n unsere Städte und Gemeinden so zu gestalten, dass sie zur Heimat werden für alle, die hier Heimat haben und suchen. Und dann dürfen das Oktoberfes­t, die Maiandacht­en oder auch die Feste zum 1. Mai in diesem Jahr mal ausfallen.

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