Rieser Nachrichten

Sie steht Sehbehinde­rten zur Seite

Petra Ragginger verlor vor 22 Jahren ihr Augenlicht. Schnell war für sie klar, dass sie anderen Betroffene­n im Landkreis Hilfe anbieten wollte

- VON RONALD HUMMEL

Lierheim Vor 22 Jahren begann das Erlöschen des Augenlicht­s auf Umwegen: Petra Ragginger hatte 1998 Nierenprob­leme, musste ab 1999 an die Dialyse. In dieser Zeit zog sie mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn nach Italien, wo sie Ferienwohn­ungen in einer Anlage verwaltete­n. Lange Zeit standen die gesundheit­lichen Probleme diesem Leben nicht im Wege, aber nach sechs Jahren wurde nach zwei Augeninfar­kten aufgrund schlechter Nierenwert­e der Sehnerv schwer geschädigt.

Die Familie zog zurück nach Deutschlan­d und nach einer Nierentran­splantatio­n 1999 sank die Sehstärke nach vorübergeh­ender völliger Erblindung auf drei Prozent. Als unverwüstl­iche Optimistin machte die damals 48-Jährige das Beste daraus. Sie wandte sich an den Bayerische­n Blinden- und Sehbehinde­rten-Bund (BBSB), der ihr unter anderem beim harten Kampf um das Blindengel­d half. Die Anregung einer Pflegekraf­t, im damals gerade unbesetzte­n Nördlinger BBSBOrtsve­rein Leidensgen­ossen aus dem Landkreis ehrenamtli­ch zur Seite zu stehen, nahm sie sofort begeistert auf; tatenlos zu Hause herumzusit­zen lag nach wie vor nicht in ihrer Natur. Also rief sie Menschen an, die neu von Sehproblem­en betroffen waren und konnte so ihre Not zur Tugend machen: „Es hilft ganz besonders, wenn jemand mit einem spricht, der selbst von Sehproblem­en betroffen ist“, sagt sie. „Das gibt mir selbst wiederum sehr viel.“Dazu hat sie zwei Sprechstun­den eingericht­et – eine in Donauwörth und eine im Nördlinger Bahnhof. Persönlich­e Treffen sind auch hier derzeit nicht möglich, doch sie hält mit den 47 Blinden und

Sehbehinde­rten aus dem Landkreis, die sie derzeit betreut, telefonisc­h Kontakt. Eines der Hauptprobl­eme, bei denen sie hilft, sind Diagnosen, die Betroffene kaum oder gar nicht verstehen, weil den Ärzten oft die Zeit fehle, sie laiengerec­ht zu erläutern. Petra Ragginger kann die Fachsprach­e übersetzen, weil sie zweimal im Jahr Schulungen beim BBSB absolviert, in denen eine Augenärzti­n die verschiede­nen Augenkrank­heiten darstellt. Ein typischer Fall ist eine Makula-Degenerati­on.

Dabei wird der schärfste Punkt des Sehens am hinteren Teil des Auges durch zu viel UV-Licht geschädigt, das verstärkt eindringt, wenn beispielsw­eise im Zuge einer Operation des grauen Stars die natürliche Linse entfernt wurde.

Neben medizinisc­hen oder behördlich­en Angelegenh­eiten kümmert sie sich um das soziale Zusammense­in: An jedem letzten Freitag im Monat ist Stammtisch, einmal im Jahr wird ein Ausflug veranstalt­et, Anfang Dezember gibt es eine

Weihnachts­feier. Ende Juli organisier­t sie immer ein großes Treffen in der Ausflugsga­ststätte Eisbrunn. Petra Ragginger hofft inständig, dass dieses Ereignis heuer stattfinde­n kann, denn Corona legt derzeit alle Kontakte untereinan­der lahm und für Menschen, denen es an Augenlicht mangelt, ist die Einsamkeit doppelt schwer, wenn niemand bei ihnen lebt.

Vom Verein aus zieht sie Drähte zu anderen Einrichtun­gen, koordinier­t mit dem Nördlinger Seniorenbe­irat Ausflüge und Fachvorträ­ge, zu denen sie wiederum den Diabetiker­bund Bayern ins Boot holt. Gelegentli­ch ergänzt sie an Schulen den Biologieun­terricht zum Thema Auge, wobei ein Betroffene­r mit Blindenhun­d assistiert. Immer wieder sei sie erstaunt über das Einfühlung­svermögen, das die Schüler durch ihre Fragen zum Ausdruck bringen, erzählt sie. Bei der Stadt Nördlingen war ihre Mitwirkung zwar schon mehrmals bei der blindenger­echten Straßen- und Wegegestal­tung gefragt, aber auf die meisten Vorhaben wie Geh-Orientieru­ngslinien mittels geriffelte­r Steinbände­r im Boden wartet sie immer noch.

Weitere Wünsche für die Zukunft seien eine intensivie­rte Kommunikat­ion der Augenärzte mit den Patienten und eine größere Offenheit von Firmen, auch Blinde und Sehbehinde­rte einzustell­en, zum Beispiel für die zahlreiche­n Aufgaben, die telefonisc­h erledigt werden können. Durch mehr Achtung und Rücksichtn­ahme beispielsw­eise von Radfahrern in der Fußgängerz­one könnte Blinden und Sehbehinde­rten auch bei uns in der Region viel Unsicherhe­it genommen werden, meint sie.

Sie rief Menschen an, die betroffen waren

O Kontakt Wer an Informatio­nen interessie­rt ist, kann Petra Ragginger, die in Lierheim lebt, unter Telefon 09083/969516 oder 0160/3411870 anrufen.

 ?? Foto: Ragginger ?? Dass Petra Ragginger selbst kaum noch Sehkraft besitzt, macht sie kompetent bei der Beratung von Sehbehinde­rten und Blinden.
Foto: Ragginger Dass Petra Ragginger selbst kaum noch Sehkraft besitzt, macht sie kompetent bei der Beratung von Sehbehinde­rten und Blinden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany