Wie ein Neresheimer das Kriegsende erlebt hat
Drei mutigen Männern ist es wohl zu verdanken, dass der Ort bei Einmarsch der Amerikaner am 22. April 1945 nicht Furchtbares erleiden musste. Willi Spießhofer erinnert sich
Neresheim Drei mutige und tapfere Männer haben verhindert, dass Neresheim noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs Furchtbares erleiden musste. Sie riskierten ihr Leben, indem sie eine Panzersperre öffneten, die nach dem Wahn der Getreuesten der Getreuen des Naziregimes zum „Endsieg“beitragen sollte. Die geöffnete Panzersperre signalisierte den Amerikanern, die am Sonntag, 22. April 1945, Neresheim erreichten, dass es in der Härtsfeldmetropole keinen Widerstand gegen sie gab.
Das alles erzählte uns der gebürtige Neresheimer Willi Spießhofer einmal in einem ausführlichen Gespräch. Zwei dieser Helden und Retter von Neresheim waren seine Nachbarn Glaser und Neufischer, der dritte ist nur unter dem Namen „Elektro-Maier“bekannt. Er ist den anrückenden Amerikanern in ihren Panzern mit einer weißen Fahne entgegengelaufen und hat ihnen so bedeutet, dass sie auf keinen Widerstand stoßen würden. Dabei musste der Neresheimer einige bange Minuten in die auf ihn gerichteten amerikanischen Panzerrohre blicken.
Am Tag zuvor war auf der Heidenheimer Straße eine Panzersperre vorbereitet worden. Gegen Abend hörte Spießhofer, wie es zu einem
Tumult kam. Die Panzersperre sollte nach dem Willen der Regimegetreuen geschlossen werden, schließlich sollte es um den „Endsieg“gehen. Andere wiederum sahen, dass der Krieg verloren war und wollten weitere sinnlose Opfer verhindern. Doch die Panzersperre blieb zu.
Um Mitternacht hörte Spießhofer, wie er erzählt hat, Pferdegetrappel und das Schleifen einer Kette. Seine Nachbarn Glaser und Neufischer, die sonst Langholz verladen hatten, zogen die Sperre wieder auseinander. Mit dieser Aktion riskierten sie ihr Leben, denn die Tat hätte als sogenannte Wehrkraftzersetzung gewertet werden können. Dies war in Nazi-Deutschland ein Straftatbestand, auf den grundsätzlich die Todesstrafe stand.
Die beiden Männer hatten jedoch Glück, weil es am nächsten Tag niemand interessierte, warum die Sperre offen war. In Neresheim war es an diesem Sonntagmorgen totenstill, der Gottesdienst fiel aus. Um die Mittagszeit rollten aus Richtung Aalen und Heidenheim amerikanische Panzer auf Neresheim zu. Der erste Panzer blieb vor Spießhofers Elternhaus in der Nähe der Stadtmauer an der Heidenheimer Straße stehen. Der Fahrer schwenkte sein Geschütz in alle Richtungen, brachte es dann in Mittelstellung und senkte das Rohr. Es war auf einen Mann mit einer weißen Fahne gerichtet. Nach einigen Minuten öffnete sich der Deckel des Panzers, ein Arm mit einer Pistole war zu sehen, dann ein Kopf. Die beiden Männer redeten miteinander im Lärm der Motoren. Dann rollten die Panzer weiter langsam durch die Stadt.
Plötzlich wurden sie schneller, einer nach dem anderen. „Als der erste Panzer den Bahnhof erreicht hatte“, erzählte Spießhofer, „haben die Amerikaner gemerkt, dass in Neresheim tatsächlich kein Widerstand geleistet wird. Dann sind sie weitergefahren.“Andernfalls hätte der Krieg auch hier möglicherweise schlimme Spuren hinterlassen.
Eine bange Frage blieb aber für viele Einheimische in den letzten Kriegstagen: „Kommen die Amerikaner oder die Franzosen?“Denn in der französischen Armee waren Marokkaner. Und für die seien Frauen damals „Freiwild“gewesen, so Spießhofer.
Bereits in den Tagen vor dem Einmarsch in Neresheim waren amerikanische Jagdbomber am Himmel über Neresheim zu sehen. Die Piloten kannten nach Spießhofers Erinnerung den Fahrplan der Härtsfeld-Schättere ganz genau und wussten, wann und wo sie den Zug am besten angreifen konnten. Die Bevölkerung wurde mit Flugblättern gewarnt, auf denen zu lesen stand: „Wir sind die lustigen Acht, wir kommen bei Tag und bei Nacht!“Für sie war das Kloster ein Orientierungspunkt. Von dort aus ging es entweder in Richtung Nürnberg oder in Richtung Augsburg/ München.
Die Härtsfeldbahn wurde auf Markung Elchingen zum ersten Mal am 20. Februar beschossen, nachdem tags zuvor bei einem Angriff bei Dischingen bereits sieben Personen getötet und weitere verletzt worden waren. Beim schwersten Angriff am 10. April waren erneut neun Tote zu beklagen gewesen.