Rieser Nachrichten

Die Bundesliga ist zurück – aber soll man sich darüber freuen?

Das Comeback begleitet Kritik von innen und außen. Beteiligte treten in Fettnäpfch­en. Die Verantwort­lichen müssen noch viel für die Zukunft lernen

- VON MARCO SCHEINHOF sma@augsburger-allgemeine.de

Eigentlich wollte die FußballBun­desliga an diesem Samstag feiern. Mit dem üblichen Tamtam einen Meister küren, mit vielen Tränen zwei Vereine in Liga zwei verabschie­den. So wie es sich für einen letzten Spieltag gehört. Dann grätschte aber das Coronaviru­s dazwischen, heftiger, als es Bayerns ehemaliger Mittelfeld­rabauke Mark van Bommel jemals geschafft hätte. Eine Zwangspaus­e war die Folge, deren Ende die Deutsche Fußball Liga (DFL) nach Wochen des Verhandeln­s und Bangens mithilfe der Politik erzwungen hat. Es wird also wieder gekickt in Deutschlan­d – allerdings ohne Zuschauer und begleitet von beißender Kritik aus der Öffentlich­keit.

Es ist ein heikles Experiment, das die DFL wagt. Das Konzept mag noch so schlüssig sein und der DFL im Ausland viel Beifall eingebrach­t haben. Trotzdem war reichlich Überzeugun­gsarbeit nötig, um es durchzuset­zen. Und ein Restrisiko bleibt, wie nicht zuletzt der Fall von Zweitligis­t Dynamo Dresden gezeigt hat, als das Gesundheit­samt nach zwei positiven CoronaTest­s die ganze Mannschaft in Quarantäne schickte. Das gefährdet den gesamten Spielbetri­eb. Erst recht, wenn mehrere Mannschaft­en betroffen wären. Zudem ist das Unverständ­nis trotz mehr und mehr Lockerunge­n des Alltags in weiten Teilen der Bevölkerun­g groß, warum ausgerechn­et das Milliarden­geschäft Fußball wieder an erster Stelle beginnen darf. Zweifellos gibt es in Deutschlan­d weitaus systemrele­vantere Berufe als den eines Fußballspi­elers. Anderersei­ts hängen vom Bundesliga-Fußball auch rund 60 000 Arbeitsplä­tze ab.

Die Argumente der Bundesliga klingen schlüssig. Spieler und enge Teamvertra­ute werden regelmäßig getestet und mussten eine Woche vor dem ersten Spiel in Quarantäne. Auch Testmöglic­hkeiten für die Öffentlich­keit werden durch den Fußball nicht reduziert. Und doch mutet es seltsam an, wenn in Zeiten des Sicherheit­sabstands für alle Zweikämpfe um einen Ball geführt und Tore – in welcher Form auch immer – bejubelt werden. Eine Sicherheit, dass wirklich alle Spieler gesund sind, gibt es auch nicht. Ein Restrisiko bleibt. Und natürlich das Gefühl, dass dem Fußball mal wieder Sonderrech­te zugestande­n werden.

Der Fußball muss sich seiner Verantwort­ung bewusst sein. Er muss demütig und bedacht mit der Chance umgehen, die ihm die Politik mit der Freigabe der Spiele bietet. Demut und Zurückhalt­ung sind aber oftmals nicht die Stärken der handelnden Personen. Wer das nicht glaubt, der sei an das Internetvi­deo aus Berlin erinnert, als sich wenige Tage vor der Entscheidu­ng der Politik die Spieler der Hertha über Gehaltsver­zicht ärgerten und

Hygienereg­eln missachtet­en. Ohne Konsequenz letztlich, was wieder für Unmut beim Großteil der Bevölkerun­g sorgte.

Wie in vielen Wirtschaft­szweigen geht es auch beim Fußball ums Geld. Die Sicherung der Fernsehund Sponsoreng­elder ist für die Zukunft vieler Vereine entscheide­nd. Dieser Umstand überstrahl­t offenbar auch die Frage nach der Gesundheit oder dem sportliche­n Wert der ausstehend­en neun Partien. Schließlic­h war die Vorbereitu­ngszeit sehr kurz. Dass Vereine nach wenigen Wochen ohne Einnahmen vor dem Ruin stehen, zeigt das desaströse Wirtschaft­en in der Branche. Nicht alle Klubs haben Rücklagen gebildet, wie es zum Beispiel der FC Augsburg getan hat.

Die Hoffnung ist groß, dass der Fußball aus der Zwangslage lernt. Obergrenze­n der Gehälter und ein Transferma­rkt mit niedrigere­n Ablösesumm­en, davon träumen die Fußballrom­antiker. Unterfütte­rt von salbungsvo­llen Worten der handelnden Personen. Aber ob sie sich nach der Krise daran erinnern? Starke Zweifel sind angebracht.

Fußball muss sich der Verantwort­ung bewusst sein

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