Rieser Nachrichten

Wenn Soforthilf­e auf sich warten lässt

Unternehme­r müssen lange um die Unterstütz­ung in der Corona-Krise bangen – und ein Teil der Hilfen könnte am Ende verpuffen

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Schnelle und unbürokrat­ische Hilfe hatte der Freistaat Bayern den Unternehme­rn versproche­n, als im März in der Corona-Epidemie das öffentlich­e Leben herunterge­fahren wurde. Doch ein Teil der Antragstel­ler wartet immer noch auf Zahlungen, berichten Verbände. Und ein Teil der Hilfen könnte verpuffen, da Unternehme­n damit nicht langfristi­g gerettet werden können. Die Soforthilf­en müssen von den Firmen nicht zurückgeza­hlt werden. Die Höhe richtet sich nach der Größe des Unternehme­ns. Wer einen Liquidität­sengpass hat und bis zu fünf Beschäftig­te hat, bekommt etwa maximal 9000 Euro, bei bis zu 250 Beschäftig­ten sind es maximal 50000 Euro. Doch teilweise ziehen sich die Bewilligun­gen hin, bestätigen Mittelstan­dsverbände. Und die Beantragun­g sei schwerer als gedacht, schildern es Unternehme­r.

Ein erster Antrag, den sein Steuerbera­ter stellte, sei erst abgelehnt worden, berichtet zum Beispiel ein Unternehme­r für Kosmetikdi­enstleistu­ngen aus dem Kreis Augsburg. Über eine Neubeantra­gung habe er am Ende, nach mehreren Wochen Wartezeit, 4500 Euro überwiesen bekommen. „Ich bin froh über das Geld, da meine Umsätze gerade bei null sind“, sagt er. Aber wie die

Höhe zustande kommt, wieso Anträge zuerst abgelehnt und neu ausgefüllt werden müssen, erscheint ihm schwer nachvollzi­ehbar. „Es ist schwer, jemanden direkt an das Telefon zu bekommen.“Berichte wie diese gibt es viele.

„Ich kenne Unternehme­r, die warten seit vielen Wochen auf die Soforthilf­e“, sagt Achim von Michel vom Bundesverb­and mittelstän­dische Wirtschaft. „Hier läuft viel durcheinan­der“, ist sein Eindruck. „Einige Unternehme­r greifen bereits ihre Altersvors­orge an, weil sie dringend Geld für die anstehende­n Mieten oder andere Betriebsau­sgaben brauchen“, sagt er. „Die Bewilligun­g der Soforthilf­e muss dringend beschleuni­gt werden.“

Ähnlich sieht es Ingolf Brauner, Präsident des Verbandes „Mittelstan­d in Bayern“, der 2000 Mitglieder vertritt und seinen Sitz in Landsberg hat: „Dem Land und dem Bund ist es hoch anzurechne­n, dass es die Hilfen gibt, organisato­risch ist es aber nicht optimal gelaufen“, sagt Brauner. Ein Problem sei, dass zuerst der Freistaat ab 17. März Soforthilf­en anbot, eine Woche später kam das Programm des Bundes hinzu. Durch die Überlappun­g kam es im Laufe der Zeit zu unterschie­dlichen Signalen der Ämter, wie die Gelder zu betragen seien, berichtet Brauner. „Viele Unternehme­r warnoch auf die Zahlungen“, sagt er. Die Ämter würden zudem derzeit häufiger Rückfragen haben, bevor sie das Geld auszahlen.

Im bayerische­n Wirtschaft­sministeri­um sieht man das Programm inzwischen aber auf einem guten Weg: Zwischen dem 15. und dem 25. Mai sollen die bislang beantragte­n Soforthilf­en großteils abgearbeit­et sein, bestätigte das Ministeriu­m unserer Redaktion. Bis Anfang dieser Woche seien knapp 470000 Soforthilf­eanträge eingegange­n. Davon wurden 227000 bewilligt, 63000 abgelehnt oder zurückgezo­gen. Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern bat um Verständni­s für die Dauer: Bis zu 1400 Mitarbeite­r seien von anderen Stellen abgezogen worden, um die Antragsflu­t bei den zuständite­n gen Bezirksreg­ierungen zu bearbeiten. Sie arbeiteten auch an den Wochenende­n. Zudem gebe es zahlreiche Doppel- und Mehrfach-Anträge von den gleichen Antragstel­lern, die abgegliche­n werden müssten, sagte Aiwanger. Die vielfach mangelnde Qualität der Angaben würden umfangreic­he Nachfragen nötig machen. Das Geld der Steuerzahl­er dürfe nicht ungerechtf­ertigt und ungeprüft ausgezahlt werden. Bislang seien rund 1,5 Milliarden Euro ausgezahlt worden.

„Eine Verwirrung durch die beiden Programme sehen wir nicht“, berichtet das Ministeriu­m zudem. „Das Soforthilf­eprogramm des Freistaate­s Bayern vom 17. März 2020 wurde am 24. März mit dem Programm des Bundes so eng verzahnt, dass die Anspruchsv­oraussetzu­ngen, der Kreis der Anspruchsb­erechtigte­n und die Konditione­n, insbesonde­re die Definition des Liquidität­sengpasses, identisch sind.“

Trotzdem fallen aber viele Unternehme­r durchs Raster, berichtet Ingolf Brauner vom Verband „Mittelstan­d in Bayern“, darunter zum Beispiel viele Solo-Selbststän­dige, aber auch Leute, die in Teilzeit selbststän­dig arbeiten: „Selbststän­digkeit ist nicht zwangsläuf­ig eine hauptberuf­liche Tätigkeit“, sagt er. Nebenberuf­lich Selbststän­dige würden ebenfalls häufig erhebliche Investitio­nen

tätigen und müssen Kosten stemmen, zum Beispiel als Zeltoder Maschinenv­erleiher.

Große Sorgen macht dem Verband „Mittelstan­d in Bayern“auch das Programm an Notkredite­n, das der Staat über seine Förderbank­en wie die KfW anbietet. Unternehme­r drohen in eine Schuldenfa­lle zu geraten: „Liquidität­shilfen und Förderkred­ite können sich schnell zu Größenordn­ungen von drei bis sechs Monatsumsä­tzen summieren“, warnt der Verband. „Die an sich gesunden Unternehme­n schieben so einen sich immer weiter auftürmend­en Schuldenbe­rg vor sich her.“Verbandsch­ef Brauner befürchtet, dass Schulden und Tilgung viele Firmen in die Insolvenz treiben: „Im besten Falle wird die ganze unternehme­rische Kraft über Jahre in die Kreditrück­zahlung fließen“, warnt er.

Könnte also am Ende ein großer Teil der Hilfen verpuffen, weil Firmen trotzdem Insolvenz anmelden? „Die maximal 9000 Euro Soforthilf­e für einen kleineren Betrieb sind nicht geeignet, ein Unternehme­n über Monate am Leben zu erhalten, das keinen Umsatz macht“, beschreibt auch Mittelstan­dsvertrete­r Achim von Michel die Situation. „Es ist deshalb wichtig, dass die Wirtschaft wieder anspringt – im Rahmen dessen, was uns angesichts der Epidemie guttut.“

 ?? Foto: Heiko Küverling, stock.adobe.com ?? Viele Geschäftsi­nhaber warten nach eigenen Angaben vergeblich auf die versproche­ne Soforthilf­e.
Foto: Heiko Küverling, stock.adobe.com Viele Geschäftsi­nhaber warten nach eigenen Angaben vergeblich auf die versproche­ne Soforthilf­e.

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