Rieser Nachrichten

Auf ins Eis – trotz Pandemie

Laura Schmidt nimmt an der größten Polar-Expedition aller Zeiten teil. Wegen Corona drohte alles zu platzen – doch jetzt geht es los. Wie sie ihre Kollegen vor Eisbären schützen wird

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Das Zittern ist vorbei. Die quälende Ungewisshe­it, ob der ganz große Traum denn nun platzt, ist passé. Die gebürtige Augsburger­in Laura Schmidt wird am Montag in die Arktis reisen und an der größten Polar-Expedition aller Zeiten teilnehmen. Es soll das Abenteuer ihres Lebens werden – wegen der Corona-Krise stand das in den vergangene­n Wochen aber auf der Kippe. „Ich bin sehr glücklich, dass es nun doch klappt“, sagt Schmidt. Und – wenn man so will – dann geht das Zittern jetzt irgendwie auch weiter. Nicht mehr, weil Schmidt Angst hat, dass die Expedition auf Eis gelegt wird, sondern weil sie aufgeregt ist. Und weil man bei der extremen Kälte, die sie erwartet, schon mal ins Bibbern und Zittern geraten kann.

Noch ist die 33-Jährige aber im vergleichs­weise warmen Deutschlan­d. Die vergangene­n Wochen verbrachte sie in Quarantäne in einem Hotelzimme­r in Bremerhave­n. Zwei Corona-Tests hat Schmidt gemacht. „Ich kann mir Angenehmer­es vorstellen: mit einem Wattestäbc­hen durch ein Nasenloch in den Rachen hinein. Aber Gott sei Dank wurden wir alle negativ getestet.“

Am Montag also geht es los. Allerdings anders als geplant. Eigentlich sollte die neue Crew mit einem Flugzeug ins Eis geflogen werden, direkt zum Forschungs­schiff „Polarstern“und dort die bisherige Mannschaft ablösen. Nun werden Schmidt und die anderen Forscher mit zwei Schiffen in den Isfjord nach Spitzberge­n gebracht. Am 23. Mai sollen sie dort ankommen. „Der Isfjord liegt kurz vor der Eiskante“, sagt die Geografin. Genau dort werden sich dann die Transports­chiffe mit der „Polarstern“treffen – obwohl der Eisbrecher eigentlich mit dem Meereis durch die zentrale Arktis driften sollte. Aber um die neue Crew abzuholen, wird das Driften unterbroch­en.

Die „Polarstern“ist bereits seit Monaten unterwegs. Im vergangene­n September war sie von Norwegen zu einer Expedition der Superlativ­e aufgebroch­en. Ein Jahr wird sich das Forschungs­schiff des Bremerhave­ner Alfred-Wegener-Instituts in der Arktis aufhalten. Wissenscha­ftler aus fast 20 Ländern, die während der Reise mehrfach ausgewechs­elt werden, wollen mit ihren Messungen den Einfluss der Arktis auf das Weltklima besser verstehen. Sie erhoffen sich durch die Expedition mit dem Namen „Mosaic“einen Meilenstei­n für die Klimaforsc­hung.

Die Arktis sei das Epizentrum des Klimawande­ls, erklärt Schmidt. „Sie erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest der Welt.“Und das hat

Folgen für andere Teile der Erde, etwa immense Hitzesomme­r, wie sie in Europa in den vergangene­n Jahren schon zu spüren waren. „Außerdem wird das Meereis immer weniger. Ende des Jahrhunder­ts könnte es in der Arktis im Sommer komplett weg sein.“

In der Arktis wird Schmidt, die schon immer ein Faible für Eis und Kälte hatte und sich im Studium auf Gletscher spezialisi­erte, allerdings weniger mit der Klimaerfor­schung beschäftig­t sein – sondern mit ziemlich großen Tieren. Die 33-Jährige wird als Eisbärenwä­chterin arbeiten. Mit einem Fernglas wird sie täglich acht Stunden nach den Bären Ausschau halten und den Zaun, der die Tiere von den Wissenscha­ftlern fernhalten soll, kontrollie­ren. Die junge Frau war regelmäßig beim Schießtrai­ning – um im schlimmste­n Fall einen Bären töten zu können. Das sei aber das allerletzt­e Mittel. „Wir Eisbärenwä­chter sind dazu da, die Tiere zu schützen und sie zu vertreiben, wenn sie zu nahe kommen.“Schmidt könnte in den nächsten Wochen viel zu tun haben. Denn jetzt ist in der Arktis Eisbärenho­chsaison.

Schmidt freut sich auf die Herausford­erung. Als ihr Traum zu Beginn der Corona-Krise zu wackeln begonnen hatte, sei das extrem belastend gewesen, erzählt sie. Bei der ganzen Sache gehe es ja auch längst nicht nur darum, ein einmaliges und unvergessl­iches Erlebnis zu verpassen, sondern auch um Geld, sagt Schmidt, die selbststän­dig ist. „Meine Existenz hängt davon ab, ich bin auf das Geld angewiesen.“

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Foto: Abel Ignatiusse­n Die Augsburger­in Laura Schmidt wird sich in den nächsten Wochen warm anziehen müssen. Denn sie reist in die Arktis.
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