Rieser Nachrichten

Droht vielen Kitas das Aus?

Der Freistaat will für drei Monate die Gebühren übernehmen. Bisher ist aber noch kein Geld geflossen. In den Ballungsrä­umen reicht die Pauschale auch nicht. Und das sind derzeit nicht die einzigen Sorgen in den Einrichtun­gen

- VON LEA THIES

Augsburg „Wir übernehmen das“, sagte Markus Söder am 20. April in der Kabinettss­itzung. Mit „das“meinte er die Elternbeit­räge für coronabedi­ngt geschlosse­ne Kindertage­sstätten für drei Monate. Was er in der Regierungs­erklärung nicht sagte: Dass es sich um eine bayernweit­e Pauschale handelt, dass noch gar nicht fest steht, wie und bis wann das Geld überwiesen wird und vor allem, dass es nur fließt, wenn gar keine Elternbeit­räge mehr gezahlt werden. Letzterer Passus sorgt bei vielen Kindertage­sstätten nun für massive Probleme.

Fast einen Monat nach der Bekanntgab­e ist noch kein Geld geflossen. Wie das Sozialmini­sterium mitteilte, werde gerade an der Förderrich­tlinie und der Umprogramm­ierung des Abrechnung­sprogramms gearbeitet. So lange müssen die Träger vorfinanzi­eren. „Dann kann es sein, dass sie Liquidität­sprobleme bekommen. Freie Träger haben in der Regel nicht viele Reserven in der Hand. Dass die Pauschalen zeitnah gezahlt werden, dafür machen wir uns auch stark“, sagt Maria Magdalena Hellfritsc­h vom Verband katholisch­er Kindertage­seinrichtu­ngen. Sie begrüßt eine einheitlic­he bayernweit­e Lösung, denn zunächst habe ein Flickentep­pich gedroht. Dass die Pauschale für eine Reihe von Trägern, vor allem in Ballungsrä­umen, nicht reiche, sei auch in den Besprechun­gen bereits Thema gewesen, in denen die Staatsregi­erung Kommunalen Spitzenver­bänden und den Trägern der Freien Wohlfahrts­pflege das Konzept präsentier­t hatte. Daher sei besprochen worden, dass Träger mit Liquidität­sproblemen sich an die jeweiligen Kommune wenden sollen, um gemeinsam eine Lösung zu finden. „Es soll keine einzige Einrichtun­g verloren gehen“, sagt Hellfritsc­h.

Die Vorsitzend­e des Sozialauss­chusses des Landtags, Doris Rauscher (SPD), sieht bereits ein Viertel der privaten Kitas in ernster Gefahr. Wenn der Lockdown beendet sei, könnte es tausende Kita-Plätze nicht mehr geben, warnte sie am Wochenende: „Die Aussage Söders hat bayernweit Chaos ausgelöst. Vielerorts werden die Eltern von der Regierung ermutigt, keine Beiträge mehr zu zahlen, während die Kitas noch immer keinen Ausgleich erhalten. Wenn Eltern hören, dass die Gebühren übernommen werden, gehen sie zu Recht davon aus, dass

die Träger die entfallene­n Einnahmen zu 100 Prozent ersetzt bekommen.“Doris Rauscher, die vor ihrer Zeit als Abgeordnet­e mehrere Kitas geleitet hatte, fordert eine kostentrag­ende Unterstütz­ung und dass Söder seine „Luftnummer“dringend nachbesser­e.

Der Stadt Augsburg reicht die Kita-Nothilfe nicht, um die Kosten für ihre 36 Kitas zu decken. „Wir zahlen etwas drauf. Das wird heftig, ist aber aushaltbar“, sagt Eva Hermanns, Amtsleiter­in Kita Stadt Augsburg. Christian Oberlander, Geschäftsf­ührer des Montessori Kinderhaus­es Augsburg, beschert Söders Ankündigun­g nicht nur un

Euro, Kinder in Kindertage­spflege 200 Euro. 170 Millionen Euro wurden laut Sozialmini­sterium für diesen Fördertopf zur Verfügung gestellt. Die genauen Richtlinie­n werden derzeit noch erarbeitet.

● Insgesamt gibt es laut Sozialmini­sterium 9779 Kindertage­seinrichtu­ngen, deren Betriebsko­sten nach dem

zählige Telefonate mit Eltern, sondern vor allem Kopfzerbre­chen. Was tun? Das Geld des Freistaate­s annehmen, pro Monat aber 25000 Euro Verlust machen und die Insolvenz des Kinderhaus­es riskieren? Oder auf die Ersatzleis­tung verzichten, die Eltern bitten, das Kinderhaus zu retten und weiterzuza­hlen, obwohl sie ihre Kinder derzeit daheim betreuen – und damit in Kauf nehmen, dass sie Sturm laufen? Er hat sich bisher für Letzteres entschiede­n und sucht händeringe­nd nach einer Lösung. „Die Solidaritä­t bei uns im Haus ist noch groß. Es würde viele Eltern entlasten, wenn wir die Förderung bekämen und sie

Bayerische­n Kinderbild­ungs- und -betreuungs­gesetz (BayKiBiG) staatlich gefördert werden. Davon sind 5095 Einrichtun­gen Kindergärt­en und 1465 Kinderkrip­pen. Rund ein Drittel der Kindertage­seinrichtu­ngen ist in kommunaler Trägerscha­ft, zwei Drittel sind in freigemein­nütziger oder sonstiger Trägerscha­ft. (lea)

dann nur die Mehrkosten bezahlen müssten. Das wäre auch nur fair“, sagt er und kann diese Ganz-odergar-nicht-Klausel nicht nachvollzi­ehen.

Hinzu kommt, dass den Trägern weitestgeh­end die Hände gebunden sind, um die Kosten zu senken. Darauf weisen auch Manfred Burghardt, Geschäftsf­ührender Vorstand von Montessori Bayern, und Maria Magdalena Hellfritsc­h hin. Kurzarbeit sei nur in sehr geringem Umfang möglich, um nicht andere Fördergeld­er zu riskieren, die an Betreuungs­schlüssel gebunden sind. Dieser sei auch durch Ausfallzei­ten von zu Risikogrup­pen gehörenden

Angestellt­en in Gefahr. „Um hier den Schlüssel nicht zu reißen, müssten die Träger neues Personal einstellen. Das ist aufgrund des Fachkräfte­mangels praktisch unmöglich“, sagt Hellfritsc­h, „ein echtes Dilemma auf mehreren Ebenen.“Besonders kleine Eltern-Kind-Initiative­n würden gerade kämpfen, die sich nun mit arbeitsrec­htlichen Dingen auseinande­rsetzen müssen, von denen sie zu Recht wenig Ahnung haben, sagt Burghardt.

Zudem sei es „nicht leicht, das Infektions­schutzgese­tz, die allgemeine­n Verfügunge­n und die Pädagogik unter einen Hut zu bekommen“, betont Burghardt. Viele Kita-Leitungen müssen sich im Moment auch mit den Sorgen und Ängsten der Angestellt­en befassen. „Das Personal kann sich in der Kita beim Umgang mit kleinen Kindern nicht so gut schützen wie Lehrkräfte in den Schulen“, sagt Maria Magdalena Hellfritsc­h und bewundert die Erzieherin­nen und Erzieher für den besonderen Einsatz, den sie in diesen Tagen leisten. Und auch, wie kreativ da Kontakt zu den Kindern und Familien daheim gehalten werde. „Sie verschicke­n Beschäftig­ungsideen, manche bringen Anregungen sogar bis vor die Haustür.“

Gerade laufen bei den Trägern, den Dachverbän­den, den Kommunen und den Kita-Leitungen die Telefone heiß: Probleme mit den Finanzen, mit dem Personal, Nachfragen wegen der Notbetreuu­ng und den Vorgaben aus München. „Der Unmut wächst, denn die Perspektiv­e fehlt und die Geduld ist aufgebrauc­ht“, sagt Iris Hentschel vom Dachverban­d der Elterninit­iativenAug­sburg. Viele Kita-Leitungen und Eltern hadern zudem mit den Informatio­nen, die das Sozialmini­sterium per Newsletter verschickt, mit unkonkrete­n Formulieru­ngen, mit zum Teil praxisfern­en Vorgaben und mit den knappen Zeitplänen für deren Umsetzung.

Der Verband katholisch­er Kindertage­seinrichtu­ngen hat eine Corona-Hotline eingericht­et, um für mehr Klarheit zu sorgen. Eva Hermanns’ Team beantworte­t ebenfalls zurzeit viele Detailfrag­en. Das Sozialmini­sterium arbeite gerade auf Hochtouren, die permanente­n Angleichun­gen seien für alle Beteiligte­n kräfteraub­end. „Meine Leute sind es gewohnt, dass es klare Aussagen gibt. Jetzt ändern sich Regeln von heute auf morgen“, sagt die Augsburger Amtsleiter­in Hermanns, „und wir haben alle leider keine Kristallku­gel.“

Die Corona-Krise betrifft uns in diesen Tagen alle. Ich finde es schön, hier an dieser Stelle meine Gedanken äußern zu können.

Bei all dem Bestreben unsere Gesundheit zu schützen, wünsche ich mir gerade so sehr, dass wir Menschen endlich einsehen, dass alles ein Ende hat und es kein endloses Höher-Schneller-Weiter gibt. Es geht doch im Leben vor allem darum, zufrieden zu sein, aufeinande­r acht zu geben und sich gegenseiti­g zu helfen. Wie geht’s Dir wirklich? Brauche ich diese Klamotten oder Reise oder…wirklich?

In einer ehrlichen Antwort auf diese sehr persönlich­en Fragen liegt meines Erachtens eine Chance in der momentanen Krise.

Ich wünsche mir in diesen Tagen so sehr, dass die heldenhaft­e, kräftezehr­ende Arbeit des medizinisc­hen Personals endlich auch dauerhaft monetär besser entlohnt wird, mit monatlich 200 Euro mehr auf dem Konto. Bitte belassen wir es nicht nur beim Klatschen und Liedersing­en. Haben wir doch jetzt den Mut, dieses sehr heiße Eisen zu schmieden.

Ich jedenfalls freue mich darauf, nach den Beschränku­ngen wieder mit meinen Freunden Beachvolle­yball spielen zu können.

Claudia Schmid,

Oy-Mittelberg

 ?? Foto: Christoph Soeder, dpa ?? Ein trostloses Bild herrschte wochenlang in vielen Kindertage­seinrichtu­ngen: Die Kinder mussten wegen Corona zu Hause bleiben, Räder, Roller und Bobby-Cars wurden zu Dauerparke­rn.
Foto: Christoph Soeder, dpa Ein trostloses Bild herrschte wochenlang in vielen Kindertage­seinrichtu­ngen: Die Kinder mussten wegen Corona zu Hause bleiben, Räder, Roller und Bobby-Cars wurden zu Dauerparke­rn.
 ?? Ihre Erlebnisse schicken Sie uns bitte unter dem Stichwort „Leser schreiben für Leser“an folgende E-MailAdress­e: Bitte denken Sie daran, Ihren Namen, Ihren Wohnort und eine Telefonnum­mer für Rückfragen anzugeben sowie ein Foto von Ihnen mitzuschic­ken. ?? Schreiben Sie uns!
Ihre Erlebnisse schicken Sie uns bitte unter dem Stichwort „Leser schreiben für Leser“an folgende E-MailAdress­e: Bitte denken Sie daran, Ihren Namen, Ihren Wohnort und eine Telefonnum­mer für Rückfragen anzugeben sowie ein Foto von Ihnen mitzuschic­ken. Schreiben Sie uns!

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