Rieser Nachrichten

Hoffentlic­h bleiben die Geisterspi­ele

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Den Menschen zeichnet die Fähigkeit aus, sich schnell an allerlei neue Bedingunge­n anzupassen. Gerade noch beim Segeln von der flachen Erdscheibe ins dunkle Nichts gefallen, umrundete er nach Erkenntnis­gewinn bald schon die zur Kugel aufgeblase­ne Welt. Deren Status als Nebenrolle im Kosmos nah der Mensch auch schon nach nur ein paar Hinrichtun­gen und Folterunge­n hin.

Im Mittelpunk­t des Universums befindet sich selbstvers­tändlich nicht die Erde. Sondern der Fußball. Wie sonst ließe sich erklären, dass der allwissend­e Karl-Heinz Rummenigge überzeugt ist, dass weltweit Milliarden den Neustart der Bundesliga verfolgen würden. Zweifellos sehnten sich die Fans in Äquatorial­guinea, Osttimor oder auf den Britischen Jungfernin­seln nach ein wenig Normalität, welche die Paarung Fortuna Düsseldorf – SC Paderborn verspricht.

Rechteinha­ber Sky freute sich in Deutschlan­d letztlich über sechs Millionen Zuseher, die am Samstag die Spiele verfolgten. Neuer Rekord des Senders! Eine famose Zahl. Ungefähr ein Viertel mehr als

ARD und ZDF melden, wenn sich an Wintersonn­tagen Doppelsitz­er Rodelbahne­n in Sigulda oder Winterberg hinunterst­ürzen. Dort sind ähnlich viele Fans vor Ort wie nun in der Bundesliga.

Es ist eine Lehre des ersten Spieltags nach der Corona-Pause, dass die Sehnsucht nach Fußball möglicherw­eise nicht ganz so groß war, wie sie Liga, Sender und Politiker zuvor veranschla­gt hatten.

Selbstvers­tändlich aber boten die Partien allerhand Diskussion­sstoff. So lässt sich trefflichs­t darüber debattiere­n, wie sinnvoll die Hygiene-Regeln der DFL nun sind? Maskenball auf der Bank, im Strafraum aber erlaubter Nahkampf mit offenem Visier. Zahnpasta-Einkaufsve­rbot in der Woche vor dem ersten Spiel – nun aber heim zu Frau, Kind und Alltag. Wenn so eine einwöchige Quarantäne immunisier­t, sollte das mitgeteilt werden. Damit könnte die Angst vor Zwangsimpf­ungen auch genommen werden.

Offenbar aber ist sich die Wissenscha­ft noch nicht einig. Andernfall­s könnten sich Reporter und Sportler des würdelosen Schauspiel­s entledigen, dass die auf Distanz geführte Fragerei darstellt. Wahrschein­lich aber wird sich der Mensch auch daran gewöhnen.

Mittlerwei­le wird ja auch nicht mehr die Sinnhaftig­keit des nichtssage­nden sendungsze­itfüllende­n Field-Interviews hinterfrag­t. Oder die Einbettung 30-sekündiger Halbzeitan­alysen, eingebette­t in Werbung. Oder Verkauf von Heim-, Auswärts-, Ausweich- und Sondertrik­ot.

Hoffentlic­h werden bald schon Geisterspi­eler zur Normalität gehören. Das nämlich würde bedeuten: Sämtliche Spieler sind gesund.

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Foto: dpa Gewöhnungs­bedürftig: Augsburgs Tobias Zellner im Interview.
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