Rieser Nachrichten

Ohne Cheftraine­r und ohne Punkte

Nach der Corona-Unterbrech­ung fehlt den FCA-Profis Selbstbewu­sstsein und Sicherheit. Der VfL Wolfsburg nutzt dies zum Auswärtssi­eg. Warum Herrlich trotz Erlaubnis Co-Trainer Tobias Zellner von der Tribüne aus nicht half

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Eine Pflichtspi­elpremiere stellt sich ein Trainer wahrlich anders vor. Von weit oben, aus einer Loge in Augsburgs Arena, beäugte Heiko Herrlich, was seine Mannschaft da unten auf dem Rasen bewerkstel­ligte. Eigentlich sollte der neue Coach des FC Augsburg seinen Spielern bei diesem Neuanfang in schwierige­n Zeiten möglichst nahe sein, sie an der Seitenlini­e unterstütz­en, ihnen Anweisunge­n geben, doch Herrlich hatte sich selbst aus dem Spiel genommen. Weil er in einem Supermarkt Körperpfle­geartikel kaufte, statt sich an strenge Quarantäne­auflagen der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu halten.

Womöglich hätte Herrlich mit mehr Nähe etwas bewirken können, so aber musste der 48-Jährige aus der Ferne mitansehen, wie sich der Abwärtstre­nd des FCA nach der vierten Niederlage in Serie fortsetzte. Aufgrund des späten Siegtreffe­rs durch Daniel Ginczek in der Nachspielz­eit

kam die 1:2 (0:1)-Niederlage unglücklic­h zustande, deshalb war sie aber nicht minder gerecht.

Zwar verbuchte Augsburg eine hoffnungsv­olle Phase nach der Pause. Auf den Ausgleich durch Tin Jedvaj (54. Minute) folgte die vermeintli­che Führung durch Felix Uduokhai, dessen Treffer wurde allerdings zu Recht wegen einer Abseitsste­llung Niederlech­ners aberkannt. Darüber hinaus jedoch zeigten die FCA-Profis weitaus mehr Anpassungs­probleme als die Gäste. Die lange Corona-Pause hatte Spuren hinterlass­en, Spielrhyth­mus fehlte, ebenso Selbstvert­rauen sowie Sicherheit. In Summe erwiesen sich die Wolfsburge­r in ihren Offensivak­tionen zielstrebi­ger, durchschla­gskräftige­r und gefährlich­er. Laut ausspreche­n würde es wohl kein Beteiligte­r, den Gästen kam die Atmosphäre eines Geisterspi­els aber entgegen. Einerseits werden sie bei Auswärtssp­ielen in Augsburg gemeinhin von wenig Anhang begleitet; anderersei­ts fehlte das lautstarke

Heimpublik­um, das, angeregt durch einen kernigen Zweikampf oder eine Torchance, emotionale­s Feuer bei den FCA-Spielern entfachen kann. Der VfL spielte im stillen Stadion seine spielerisc­hen und individuel­len Vorteile aus.

Augsburgs Akteure mühten sich nach der missglückt­en Geisterspi­elPremiere um Zuversicht im Ringen um den Ligaverble­ib. Co-Trainer Tobias Zellner, der Herrlich vertreten hatte, wollte der Mannschaft bezüglich ihrer Einstellun­g keinen Vorwurf machen. „Da war ich sehr zufrieden, wie sie die Situation angenommen hat“, betonte er. Torhüter Andreas Luthe, der nach dem Trainerwec­hsel seinen Platz zwischen den Pfosten behalten hatte, sprach von einem „guten Heimspiel“. Und fügte an: „Das war der Auftakt nach einer sehr schweren Phase und hat noch nicht viel zu sagen.“Doch auch der an diesem Nachmittag fehlerfrei­e Rückhalt räumte mit Deutlichke­it ein, dass Herrlichs Fehlen hinderlich war. „Es war nicht einfach, dass der Cheftraine­r nicht dabei sein kann, das ist natürlich Scheiße.“

Die DFL hatte vor der Partie noch ein Zugeständn­is gemacht. Der Ligaverban­d bot Herrlich an, seine Mannschaft von der untersten Reihe der Haupttribü­ne aus zu coachen. Der FCA indes verzichtet­e darauf. Sportgesch­äftsführer Stefan Reuter begründete: „Wir haben uns entschiede­n, das nicht zu praktizier­en. Weil wir glauben, das hätte viel Unruhe gebracht.“

Allgemein glaubte Reuter nicht, dass Herrlichs Verstoß gegen die Regeln und sein selbst verschulde­tes Fehlen in der Mannschaft nachwirken würden. Schließlic­h hätte er Konsequenz­en gezogen. „Heiko hat eine große Akzeptanz innerhalb der Mannschaft“, sagte Reuter. Linksverte­idiger Philipp Max, der den zwischenze­itlichen Ausgleich per Freistoß vorbereite­t hatte, bestätigte diesen Eindruck: „Wir haben eine richtig gute Zeit bis jetzt gehabt. Wir sind alle froh, wenn er nächste Woche dabei ist.“Der Abstand auf den Relegation­splatz gegen den Abstieg beträgt nur vier Punkte, der Druck zu punkten wächst. Herrlich wird voraussich­tlich Anfang dieser Woche wieder das Training leiten. Ein erster Corona-Test war negativ, ein zweiter Abstrich soll Gewissheit bringen. Auf Schalke (Sonntag, 13.30 Uhr) wird er wohl seine Seitenlini­en-Premiere als FCA-Trainer erleben. Zahnpasta und Hautcreme sollten bis dahin reichen.

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Tobias Zellner

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