Rieser Nachrichten

Tritte gegen einen Sturzbetru­nkenen

Am Herrenmont­ag ist ein Mann verprügelt worden. Einer der ersten Fälle nach der Aussetzung der Verhandlun­gen am Nördlinger Amtsgerich­t hat es in sich

- VON RONALD HUMMEL

Nördlingen Die Mess’ fällt heuer aus, aber die dunkle Seite des beliebten nordschwäb­ischen Volksfeste­s aus dem Vorjahr wirft noch ihre Schatten. So ging es in der ersten Verhandlun­g seit Ausbruch der Pandemie in der Region am Nördlinger Amtsgerich­t unter dem Vorsitz von Richter Gerhard Schamann um zwei 47 und 48 Jahre alte Angeklagte, die am Herrenmont­ag 2019 nach Mitternach­t zunächst nur Gutes taten: Sie stützten einen Volltrunke­nen, der drei Promille Alkohol im Blut hatte, und halfen ihm außerhalb des Messgeländ­es beim Wohnmobilp­arkplatz auf dem Weg nach Hause.

Als der Volltrunke­ne zu einem der Helfer etwas Obszönes sagte, ließ der ihn los, worauf ihn auch der zweite Helfer nicht mehr halten konnte und der Mann zu Boden stürzte. Der erste Helfer trat noch erbost gegen den am Boden Liegenden und lief davon, als eine Gruppe anderer Messbesuch­er hinzu kam. Der zweite Helfer blieb bis zum Eintreffen der Polizei beim Verletzten. Da er seinerzeit bei der polizeilic­hen Vernehmung von den Zeugen verdächtig­t worden war, Mittäter zu sein und ebenfalls zugetreten haben soll, wand er sich vor Gericht noch vor der Zeugenvern­ehmung hin und her, um sich nicht verdächtig zu machen und möglicherw­eise den anderen Täter, der sich als sein Kollege herausstel­lte, nicht zu belasten. Eine geschlagen­e halbe Stunde lang erzählte er seine Lebensgesc­hichte, hob ein Jura-Diplom hoch, das er vor Jahrzehnte­n absolviert hatte, präsentier­te einen Rot-Kreuz-Mitgliedsa­usweis, um seine Hilfsberei­tschaft zu unterstrei­chen. Richter Schamann zeigte große Geduld, wies dann aber doch darauf hin, dass er fünfmal so viel Zeit wie ein normaler Zeuge in Anspruch genommen hatte, ohne etwas zum Fall zu sagen. Der Mann fuhr fort, zu erzählen, was er acht Stunden zuvor mit seiner Familie auf der Mess’ unternomme­n hatte, und als der Richter die Gretchenfr­age stellte, ob der andere im Saal anwesende Angeklagte der Mann war, mit dem zusammen er den Betrunkene­n gestützt hatte, sagte er, er wüsste es nicht. Die Zeugen bestätigte­n aber unisono, er habe zweimal dessen Vornamen genannt und die Personalie­n ergaben, dass sie zur selben Firma gehörten, die am Herrenmont­ag

traditions­gemäß ihre Mitarbeite­r eingeladen hatte. Allerdings sagten die Zeugen auch, wie Rechtsrefe­rendar Julius Weißenberg von der Staatsanwa­ltschaft feststellt­e, „im Inhalt konstant und ohne Divergenze­n“, dass nur der geflüchtet­e Mann gegen das Opfer getreten hatte. Dies wich zum Teil von der polizeilic­hen Vernehmung 2019 ab; doch letztendli­ch maß das Gericht der Aussage in der Verhandlun­g das größere Gewicht bei.

Ein Polizist ergänzte, dass die Verletzung­en nicht so stark waren, wie es von brutalen Tritten zweier Männer zu erwarten gewesen war.

Damit war die Unschuld des zweiten Angeklagte­n erwiesen, das Verfahren gegen ihn wurde eingestell­t und er konnte den Saal noch vor Ende der Verhandlun­g zusammen mit seinem Pflichtver­teidiger verlassen. Damit entschärft­e sich die Lage des ersten, klar identifizi­erten und überführte­n Angeklagte­n etwas: Da er alleine zugetreten hatte, lag vorsätzlic­he Körperverl­etzung vor, was wesentlich geringer bestraft wird, als gefährlich­e Körperverl­etzung mit anderen Tätern. Weißenberg forderte eine Geldstrafe von 120 Tagessätze­n à 30 Euro, Richter Schamann blieb im Urteil mit 100 Tagessätze­n zu 25 Euro, also 2500 Euro, deutlich darunter. Für den 48-jährigen Angeklagte­n hatte gesprochen, dass er zuvor noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war.

Es stellte sich die Unschuld eines Angeklagte­n heraus

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