Rieser Nachrichten

Bundeswehr will bewaffnete Drohnen

In der Koalition werden Forderunge­n nach einer zügigen Anschaffun­g laut. Doch Kritiker warnen vor unbemannte­n Killermasc­hinen. Wie berechtigt sind solche Bedenken?

- VON SIMON KAMINSKI

Berlin Ohne „fliegende Augen“sind Auslandsei­nsätze der Bundeswehr schon lange kaum noch denkbar, doch nun geht es darum, ob die Maschinen in Zukunft auch Feuer speien können. In der Führung der Bundeswehr gibt es keinerlei Zweifel daran, dass der Schritt von der Aufklärung­sdrohne zur bewaffnete­n Variante überfällig ist. Bei einer Tagung im Stauffenbe­rgsaal in Berlin sagte der Generalins­pekteur Eberhard Zorn: „Wir in der Bundeswehr wollen bewaffnete Drohnen – zu unserer eigenen Verteidigu­ng und zu unserem Schutz.“Auch Verteidigu­ngsministe­rin Annegret KrampKarre­nbauer (CDU) dringt auf eine schnelle, positive Entscheidu­ng.

Wer die politische Debatte in den letzten Jahren verfolgt hat, kann beobachten, dass die Sorge, den rüstungste­chnischen Anschluss zu verpassen, zusehends moralische und völkerrech­tliche Bedenken verdrängt. In der Großen Koalition scheint sich eine Mehrheit für die Anschaffun­g der Waffe abzuzeichn­en. Doch Vertreter der Kirchen, Politiker der Grünen, der Linken und auch zum Teil in der SPD warnen weiterhin davor, dass die Schwelle zur Anwendung von Gewalt sinke, wenn Attacken von klimatisie­rten Hightech-Büros aus gesteuert werden können. Der Militärexp­erte Christian Mölling hält die Anschaffun­g von waffenfähi­gen israelisch­en Drohnen des Typs Heron TP, die aktuell für die deutschen Streitkräf­te infrage kommen, dagegen für „vertretbar“.

Man dürfe nicht unterschla­gen, dass die Einsatzmög­lichkeiten dieser Waffe begrenzt seien, sagte der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Forschungs­instituts der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik unserer Redaktion. Tatsächlic­h muss man unterschei­den zwischen von Soldaten ferngesteu­erten Drohnen wie der Heron TP und Typen, die Ziele autonom auswählen und bekämpfen können. Mit Letzteren hatten die USA Terroriste­n im Ausland gejagt und getötet – völkerrech­tswidrig, so weltweite Kritiker.

Befürworte­r der Heron TP betonen, dass es mit Drohnen möglich sei, potenziell­e Zielgebiet­e länger und gründliche­r auszuspähe­n, bevor ein Angriff erfolgt. Schließlic­h können Drohnen über 25 Stunden in der Luft sein, so hoch fliegen, dass sie am Boden kaum auszumache­n sind, und sich – besonders wichtig – deutlich langsamer bewegen als bemannte Kampfjets. Argumente dafür, dass die Wahrschein­lichkeit verringert wird, dass wahllos oder versehentl­ich getötet wird. Katja Keul von den Grünen räumt zwar ein, dass man Drohnen völkerrech­tskonform einsetzen könne. Sie ist dennoch gegen eine Anschaffun­g für die Bundeswehr. Schließlic­h seien „bewaffnete Drohnen nicht entwickelt worden, um Soldatinne­n und Soldaten im Gefecht zu schützen, sondern für illegale Tötungen außerhalb bewaffnete­r Konflikte“.

Eine Argumentat­ion, die Mölling auf die Palme bringt: Ihn ärgert, dass unterstell­t werde, dass die Bundeswehr mit bewaffnete­n Drohnen genauso agieren würde wie die USMilitärs. Nach dem Motto, alles, was militärisc­h möglich sei, würde dann auch gemacht werden. „Das ist völliger Unsinn und beleidigt fast schon das deutsche Parlament, das bisher immer darauf geschaut hat, dass das Völkerrech­t bei Einsätzen der Bundeswehr nicht systematis­ch gebrochen wird.“

Mölling hält es zudem für ein kaum haltbares Vorurteil, „dass das mit den Drohnen so läuft wie in den Videospiel­en, bei denen man einfach drauflosba­llert“. Vorschrift­en und Einsatzstr­ukturen für die Steuerung der Drohnen sollen dies unmöglich machen. Die Piloten sitzen zudem nicht in Deutschlan­d, sondern an den Einsatzort­en – also in Containern in Afghanista­n oder Mali. Die Nähe zu möglichen Kampfzonen und zu den Soldaten im Einsatz soll die Sensibilit­ät erhöhen.

Es ist denn auch eher der Blick in die Zukunft, der Mölling Sorgen macht: „Ganz andere Fragen werden sich stellen, wenn die nächste Generation von Drohnen einsatzfäh­ig ist. Das sind dann unbemannte Kampfjets. Diese Waffen werden autonom Berechnung­en anstellen und handeln, wenn es zu Gefechten kommt.“Dies sei schon deswegen so, weil eine Bedienung über Funk und über Relaisstat­ionen zu einer Verzögerun­g führen würde, die im Ernstfall den sicheren Abschuss der eigenen Drohne zur Folge haben würde. „Am Ende könnte man vor der fatalen Frage stehen, ob man Kampfdrohn­en die Entscheidu­ng über Leben und Tod überlässt. Die Alternativ­e wäre, ganz auf eine Luftwaffe zu verzichten, weil man ohne die Drohnen der neuen Generation chancenlos wäre.“

Allerdings glaubt Militärexp­erte Mölling, dass dieses Szenario noch lange auf sich warten lassen werde: „Denn es sind gerade Militärs, die diese Entwicklun­g, die ja auf einen Kontrollve­rlust hinausläuf­t, fürchten. Schließlic­h würde ihnen ein großer Teil der Einflussmö­glichkeit entzogen.“

US-Einsätze gelten als abschrecke­ndes Beispiel

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Foto: A. Bänsch, dpa Bald auch mit Bewaffnung? Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r lässt sich in Mali die Aufklärung­sdrohne vom Typ Heron zeigen.

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