Rieser Nachrichten

Zwei Überfälle, die keine waren

Im Januar 2019 wurde ein Wachmann scheinbar von Angreifern mit Migrations­hintergrun­d bedroht. Jetzt steht fest, dass die Geschichte erfunden war

- VON ROBERT MILDE

Nördlingen Die ersten Schlagzeil­en des Jahres 2019 klangen dramatisch: Ein Wachmann war beim Kontrollga­ng in einem Nördlinger Industrieg­ebiet von unbekannte­n Männern angegriffe­n und verletzt worden, so der Polizeiber­icht vom 1. Januar des vergangene­n Jahres. Gut drei Wochen später wiederholt­e sich das Geschehen mit einer geradezu unheimlich­en Duplizität der Ereignisse und betroffen war erneut der seinerzeit 23-jährige Mitarbeite­r einer Sicherheit­sfirma. Seit Kurzem ist klar: Der Mann hat die geschilder­ten Straftaten frei erfunden. Wegen Vortäuschu­ng einer Straftat in zwei Fällen ist er deswegen per Strafbefeh­l zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätze­n verurteilt worden. Das Urteil ist bereits rechtskräf­tig.

Die Schilderun­gen des vermeintli­chen Opfers waren nach der Silvestern­acht 2018/2019 drastisch. Beim Überprüfen der Zugangstür­e einer

Nördlinger Firma sei er von zwei Männern angegriffe­n worden. Einer der beiden habe ihm einen Faustschla­g ins Gesicht versetzt, ihn zuvor in englischer Sprache beleidigt. Im weiteren Verlauf habe der dunkelhäut­ige, kräftige Mann zweimal mit einem spitzen Gegenstand auf ihn eingestoch­en, behauptete der Wachmann. Durch seine stabile Jacke seien die Stiche glückliche­rweise vom Körper abgehalten worden, erklärte er den ermittelnd­en Polizeibea­mten. Die sofort eingeleite­te Fahndung nach den mutmaßlich­en Tätern mit mehreren Polizeistr­eifen blieb erfolglos.

Die Sicherheit­sfirma, bei der der Wachmann beschäftig­t war, vermutete damals, dass der Wachmann die beiden Männer bei einer möglichen Straftat, zum Beispiel einem Einbruch, gestört haben könnte. Aufgrund der Annahme, dass sich die Männer in der Industries­traße womöglich an mehreren Gebäuden zu schaffen gemacht hatten, wurden die Firmen der Nachbarsch­aft von dem Sicherheit­sunternehm­en informiert und zu einer Überprüfun­g ihrer Türschlöss­er und Fenster aufgeforde­rt. Alle Nachfragen und auch die Ermittlung­en der Polizei blieben aber zunächst ergebnislo­s.

Neuerliche Attacke wieder durch zwei dunkelhäut­ige Angreifer

Rund drei Wochen später war die Verwirrung komplett, als der gleiche Wachmann erneut im Industrieg­ebiet neuerlich von zwei vermeintli­chen Angreifern attackiert wurde. Wieder waren nach Angaben des Opfers die mutmaßlich­en Täter dunkelhäut­ig, sprachen Englisch und forderten unter Einsatz eines Messers Geld, wieder verlief die polizeilic­he Fahndung nach den beiden unbekannte­n Tätern erfolglos.

Nach langwierig­en Ermittlung­en der Kripo wurde deutlich, warum. Der Wachmann hatte die beiden Vorfälle frei erfunden. Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Mann bei seinen Aussagen in Widersprüc­he verstrickt­e. Fakt ist, das bestätigte auf Nachfrage der RN der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Augsburg, Matthias Nickolai, dass der mittlerwei­le 24-Jährige einen Strafbefeh­l mit einer verhängten Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätze­n akzeptiert hat. Wegen der Corona-Pandemie sei das Verfahren auf schriftlic­hem Weg erledigt worden, was in vertretbar­en Fällen durchaus möglich sei.

Nicht beteiligen wolle sich die Staatsanwa­ltschaft, so Nickolai weiter, an Spekulatio­nen über das Motiv für die Vortäuschu­ng der Straftaten. Nur so viel könne er sagen: Offensicht­liche Hinweise auf eine ausländerf­eindliche Einstellun­g des jungen Mannes hätten sich im Zuge der Ermittlung­en nicht ergeben.

Die Vorfälle im Januar 2019 hatten in Nördlingen Vorurteile geschürt und die Bürger beunruhigt. Beides zu Unrecht, wie sich jetzt herausgest­ellt hat.

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