Zwei Überfälle, die keine waren
Im Januar 2019 wurde ein Wachmann scheinbar von Angreifern mit Migrationshintergrund bedroht. Jetzt steht fest, dass die Geschichte erfunden war
Nördlingen Die ersten Schlagzeilen des Jahres 2019 klangen dramatisch: Ein Wachmann war beim Kontrollgang in einem Nördlinger Industriegebiet von unbekannten Männern angegriffen und verletzt worden, so der Polizeibericht vom 1. Januar des vergangenen Jahres. Gut drei Wochen später wiederholte sich das Geschehen mit einer geradezu unheimlichen Duplizität der Ereignisse und betroffen war erneut der seinerzeit 23-jährige Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma. Seit Kurzem ist klar: Der Mann hat die geschilderten Straftaten frei erfunden. Wegen Vortäuschung einer Straftat in zwei Fällen ist er deswegen per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Die Schilderungen des vermeintlichen Opfers waren nach der Silvesternacht 2018/2019 drastisch. Beim Überprüfen der Zugangstüre einer
Nördlinger Firma sei er von zwei Männern angegriffen worden. Einer der beiden habe ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, ihn zuvor in englischer Sprache beleidigt. Im weiteren Verlauf habe der dunkelhäutige, kräftige Mann zweimal mit einem spitzen Gegenstand auf ihn eingestochen, behauptete der Wachmann. Durch seine stabile Jacke seien die Stiche glücklicherweise vom Körper abgehalten worden, erklärte er den ermittelnden Polizeibeamten. Die sofort eingeleitete Fahndung nach den mutmaßlichen Tätern mit mehreren Polizeistreifen blieb erfolglos.
Die Sicherheitsfirma, bei der der Wachmann beschäftigt war, vermutete damals, dass der Wachmann die beiden Männer bei einer möglichen Straftat, zum Beispiel einem Einbruch, gestört haben könnte. Aufgrund der Annahme, dass sich die Männer in der Industriestraße womöglich an mehreren Gebäuden zu schaffen gemacht hatten, wurden die Firmen der Nachbarschaft von dem Sicherheitsunternehmen informiert und zu einer Überprüfung ihrer Türschlösser und Fenster aufgefordert. Alle Nachfragen und auch die Ermittlungen der Polizei blieben aber zunächst ergebnislos.
Neuerliche Attacke wieder durch zwei dunkelhäutige Angreifer
Rund drei Wochen später war die Verwirrung komplett, als der gleiche Wachmann erneut im Industriegebiet neuerlich von zwei vermeintlichen Angreifern attackiert wurde. Wieder waren nach Angaben des Opfers die mutmaßlichen Täter dunkelhäutig, sprachen Englisch und forderten unter Einsatz eines Messers Geld, wieder verlief die polizeiliche Fahndung nach den beiden unbekannten Tätern erfolglos.
Nach langwierigen Ermittlungen der Kripo wurde deutlich, warum. Der Wachmann hatte die beiden Vorfälle frei erfunden. Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Mann bei seinen Aussagen in Widersprüche verstrickte. Fakt ist, das bestätigte auf Nachfrage der RN der Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, Matthias Nickolai, dass der mittlerweile 24-Jährige einen Strafbefehl mit einer verhängten Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen akzeptiert hat. Wegen der Corona-Pandemie sei das Verfahren auf schriftlichem Weg erledigt worden, was in vertretbaren Fällen durchaus möglich sei.
Nicht beteiligen wolle sich die Staatsanwaltschaft, so Nickolai weiter, an Spekulationen über das Motiv für die Vortäuschung der Straftaten. Nur so viel könne er sagen: Offensichtliche Hinweise auf eine ausländerfeindliche Einstellung des jungen Mannes hätten sich im Zuge der Ermittlungen nicht ergeben.
Die Vorfälle im Januar 2019 hatten in Nördlingen Vorurteile geschürt und die Bürger beunruhigt. Beides zu Unrecht, wie sich jetzt herausgestellt hat.