Rieser Nachrichten

Patientin 63

Eigentlich hatte das Gesundheit­samt alle Patienten ermittelt, die von einem Narkosearz­t im Donauwörth­er Krankenhau­s infiziert wurden. Doch dann kam Karin D.

- VON BARBARA WILD

Donauwörth Als am 16. Oktober 2018 bekannt wurde, dass ein Narkosearz­t an der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth Patienten mit Hepatitis C angesteckt hat, da hatte auch Karin D. kurz den Gedanken, dass auch sie angesteckt worden sein könnte. Im Februar 2018 war sie in Donauwörth operiert worden. Das fiel in den fraglichen Zeitraum, in dem der medikament­enabhängig­e Arzt am Krankenhau­s tätig war. Tatsächlic­h gehörte sie zu den 1741 Patienten, die einen Brief vom Gesundheit­samt erhielten, und wurde getestet. Der Befund: negativ. Sie atmete durch, dachte nicht mehr darüber nach. Doch die Realität holte sie ein.

„Ich fühlte mich müde und erschöpft. Ich dachte, ich arbeite zu viel“, sagt die mehrfache Mutter. Bei einer Routineunt­ersuchung beim Hausarzt erhält sie schließlic­h die Diagnose: positiv auf Hepatitis C. „Ich war im Ausnahmezu­stand“, schildert die Donau-Rieserin. Die Diagnose habe ihr Leben und das ihrer Familie durcheinan­dergewirbe­lt. „Da ist plötzlich die Angst um das eigene Leben. Die Frage, wie es weitergeht und die Wut, dass mir das passieren muss“, schildert sie offen. Die genaue Analyse belegt, dass ihr Virus den gleichen Genotyp aufweise, wie der des Narkosearz­tes. Ziemlich genau ein Jahr, nachdem der Skandal bekannt geworden war und alle anderen 62 Betroffene­n ihren ersten Schock längst überwunden und die notwendig gewordene Therapie abgeschlos­sen hatten, beginnt für Karin D. alles gerade erst.

Sie recherchie­rt nach, was genau alles über die Infektions­welle und die Hintergrün­de berichtet wurde, sucht einen Arzt, der sie überhaupt behandelt, und vor allem sucht sie den Kontakt zu anderen Opfern. Das alles gestaltet sich aufwendig. 2018, nach Aufkommen des Skandals, gab es mehrere Informatio­nsabende in Donauwörth und Nördlingen, die Hepatitish­ilfe aus Nürnberg vermittelt­e Beratung und Ärzte, es war einfach, andere zu treffen, die ebenfalls betroffen sind. „Ich war viel später dran und einfach nur auf mich gestellt“, sagt D.

Und dann die Therapie. „Mir war kotzübel, ich habe meine Hände und Füße nicht mehr gespürt und ständig Druck auf den Ohren“, beschreibt sie ihren Zustand. Weil sie nicht mehr kann, bricht sie die Tablettene­innahme ab. „Aber es gibt keine Alternativ­e. Ich musste durch. Es war für mich die Hölle.“

Ein echter Tiefschlag folgte. Auch ihr Sohn wurde positiv auf Hepatitis C getestet. Sie musste befürchten, ihn angesteckt zu haben. Erst ein zweiter Test drei Monate nach der Diagnose machte klar, dass sie falsch war. „Aber es bleibt auch in der Familie präsent, dass ich andere vielleicht anstecken könnte“, sagt D. Ob sie sich schneidet, ihr Sohn aus dem gleichen Strohhalm trinken will oder sie wegen einer ganz anderen Sache zum Arzt geht: „Du hast den Stempel Hepatitis C und der bleibt dir“, ist sie sich sicher. Mittlerwei­le hat sie von der Versicheru­ng des Krankenhau­ses Schmerzens­geld erhalten. „Das Geld ist mir egal. Mir wäre es lieber, das Ganze wäre mir gar nicht passiert“, sagt Karin D.

Sie ist wütend. Wütend auf den Arzt, der sie infiziert hat. Auf das Krankenhau­s, in dem niemand gemerkt haben will, dass der Narkosearz­t medikament­enabhängig und damit eine Gefahr für die Patienten war. Der so die Patienten in einer Situation ansteckt, in der sie sich eh schon verwundbar fühlen. „Die ganze Geschichte hat mir das Grundvertr­auen in die Ärzte genommen. Das wird mich immer begleiten“.

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Foto: dpa Die schematisc­he Darstellun­g zeigt das Virus Hepatitis C. Es wird von Blut zu Blut übertragen. So auch bei der Infektions­welle im Krankenhau­s in Donauwörth.

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