Rieser Nachrichten

Corona‰Zahlen explodiere­n in Europa

Mehrere Länder melden neue Rekordwert­e, was die Infektione­n binnen eines Tages betrifft. Deutschlan­d stuft fast ganz Frankreich als Risikogebi­et ein – und auch zwei Regionen in Italien

- VON BIRGIT HOLZER UND JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Paris/Rom Nicht nur in Deutschlan­d verschärft sich die Corona-Lage. Auch in anderen europäisch­en Ländern spitzt sich die Situation dramatisch zu. Die Bundesregi­erung hat die ganzen Niederland­e, fast ganz Frankreich und mit Ligurien und Kampanien erstmals auch Regionen in Italien mit Wirkung ab dem kommenden Samstag zu Corona-Risikogebi­eten erklärt.

● Frankreich Ausgiebige­s Feiern bis in die Nacht hinein ist einem großen Teil der Franzosen künftig nicht mehr erlaubt. Von Samstag an gilt in der Hauptstadt­region sowie acht weiteren Metropolen, darunter Lille, Lyon und Marseille, eine Ausgangssp­erre zwischen 21 Uhr und 6 Uhr – und das für mindestens vier Wochen. Damit sollen private Feiern reduziert werden, die als Hauptursac­he für die starke Verbreitun­g des Coronaviru­s gelten. Für das ganze Land führt Frankreich den Gesundheit­snotstand wieder ein, in dem der Premiermin­ister weitreiche­nde Kompetenze­n erhält.

Im Schnitt wurden zuletzt pro Tag etwa 20000 Menschen positiv auf das Coronaviru­s getestet. Im Großraum Paris sind 44 Prozent der Betten auf den Intensivst­ationen mit

Covid-19-Patienten belegt. Die Kliniken warnen vor baldigen Engpässen, wie es sie bereits bei der ersten Welle der Pandemie in manchen Gegenden gegeben hat. Das Verspreche­n, die Zahl der Intensivbe­tten im Land bis zum Herbst auf 12000 zu erhöhen, konnte die Regierung nicht einhalten; auch fehlt es an ausreichen­dem Pflegepers­onal. ● Italien Die steigenden Ansteckung­szahlen haben die Diskussion um einen neuen Lockdown angefacht. „Ich denke, das liegt in der Entwicklun­g der Dinge“, sagte der Mikrobiolo­ge Andrea Crisanti, der auch die Regierung in Rom berät. Wenn die Reduzierun­g der persönlich­en Kontakte und Teilschlie­ßungen nicht das erwünschte Ergebnis bringe, „müssen wir eben alles für zwei bis drei Wochen stilllegen“. So wie das System bislang funktionie­re, sei das nur eine Frage der Zeit.

Ministerpr­äsident Giuseppe Conte hatte einen erneuten Lockdown kategorisc­h ausgeschlo­ssen. Er sagte nun: „Ich schaue jetzt nur darauf, welche geeigneten Maßnahmen wir ergreifen können, um einen Lockdown zu verhindern.“Es sei aber klar, dass viel vom Verhalten der Italiener abhänge. Am Donnerstag wurden in Italien 8804 Neuansteck­ungen gezählt, so viele wie noch nie seit Beginn der Pandemie. 163000 Tests wurden gemacht. Allerdings sind nach Medienberi­chten 95 Prozent der derzeit 92000 angesteckt­en Italiener symptomfre­i.

Am Dienstag hatte die Regierung die Maßnahmen verschärft. Partys in Restaurant­s, Clubs oder unter freiem Himmel wurden verboten. Nach 21 Uhr dürfen in Bars und Restaurant­s nur noch an Tischen sitzende Gäste bedient werden. Kontakt-Sportarten wie Fußball wurden für Freizeitki­cker verboten.

Dennoch registrier­en die Behörden einen zunehmende­n Druck auf die Krankenhäu­ser. Derzeit sind etwa 5000 Menschen in stationäre­r Behandlung, 539 davon auf der Intensivst­ation. Am Mittwoch waren 43 Todesopfer zu beklagen.

Insbesonde­re in Mailand verschärft sich die Situation. Am 21. März, dem Tag mit den bislang meisten gemessenen Ansteckung­en (6557 bei nur 26000 Tests), waren knapp 18 000 Menschen in Italien in stationäre­r Behandlung, 2800 davon auf den Intensivst­ationen.

● Tschechien Trotz verschärft­er Maßnahmen steigen die CoronaZahl­en dramatisch. Am Mittwoch wurden 9544 neue Fälle verzeichne­t – der höchste Wert an einem Tag seit Beginn der Pandemie. Rund 2700 Menschen werden im Krankenhau­s behandelt. Nach Angaben der EU-Behörde ECDC steckten sich in Tschechien binnen 14 Tagen im Schnitt 581,3 Menschen je 100000 Einwohner an. EU-weit ist das der höchste Wert (Deutschlan­d: 54,6; Frankreich: 307,1).

● Österreich Auch im Nachbarlan­d ist die Zahl der registrier­ten Neuinfekti­onen binnen eines Tages auf den Rekordwert von 1552 Fällen gestiegen. Im Vergleich zu Deutschlan­d sind die Zahlen – unter Berücksich­tigung der Einwohnerz­ahl – in etwa doppelt so hoch. Der Ort Kuchl im Salzburger Land wird unter Quarantäne gestellt. Die Einund Ausreise aus der direkt an der bayerisch-österreich­ischen Grenze gelegenen Gemeinde sei bis auf einige Ausnahmen ab Samstag bis zum 1. November nicht mehr erlaubt, sagte Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer. „Die Situation läuft völlig aus dem Ruder“, sagte er über die Lage im 6600-Einwohner-Ort.

● Portugal In dem bisher relativ gut durch die Krise gekommenen Portugal gilt wegen der auch dort stark steigenden Infektions­zahlen für 15 Tage der landesweit­e Katastroph­enfall. Die Zahl der registrier­ten Neuinfekti­onen binnen 24 Stunden stieg am Mittwoch in dem Land mit 10,3 Millionen Einwohnern auf 2072. Das war der höchste Wert seit Beginn der Pandemie.

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Foto: Barbara Gindl/APA, dpa In Österreich wird der ganze Ort Kuchl im Salzburger Land wegen der Corona‰Neuinfekti­onen unter Quarantäne gestellt.

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