„Ich lasse es nicht in meinen Kopf“
Unternehmer mit ausländischen Wurzeln haben es nicht immer leicht – fünf Selbstständige aus der Region erzählen ihre Geschichten
Augsburg/Günzach/NeuUlm Wenn Calvin Lee Nixon Kontakt mit einem potenziellen Geschäftspartner aufnimmt, weiß er genau: Der erste Eindruck zählt. Üblicherweise heißt das: persönliches Treffen, kompetentes Auftreten, seriöse Kleidung, möglichst vertrauenswürdig wirken. Für Nixon heißt es allerdings: schreiben und telefonieren. „Persönliche Gespräche versuche ich am Anfang zu vermeiden. Wenn Geschäftspartner gleich sehen, ich bin ein Schwarzer, dann sind sie eher abgeneigt. Mache ich das Ganze online und sie haben kein Gesicht dazu, ist es für mich einfacher.“
Nixon, 37 Jahre alt, verkauft seit einem Jahr Sportkleidung und Nahrungsergänzungsmittel in seinem Online-Shop „Power from the Gods“. Außerdem ist er seit drei Jahren selbstständiger Personal Trainer in Neu-Ulm. Wenn er Diskriminierung erfährt, ist das wegen seiner Hautfarbe – in allem anderen unterscheidet er sich keinen Deut von jedem anderen Deutschen. Der Sohn eines US-Soldaten und einer Deutschen ist hier geboren und aufgewachsen.
„Persönlich angegriffen werde ich im Geschäftlichen nicht, das passiert nur privat. Im Privaten hätte ich tausend Geschichten zu erzählen“, sagt Nixon. Bei Geschäftskunden merke er lediglich an Tonfall und Verhalten, wenn jemand eine Abneigung gegen schwarze Menschen hat. Auch seine Arbeit als Trainer wird von seiner Hautfarbe beeinflusst: „Die männlichen Kandidaten wollen sich von einem Schwarzen eher weniger etwas sagen lassen. Da sind Frauen ein bisschen offener.“Mit einer Ausnahme: Bodybuilder seien grundsätzlich offener. Das erklärt sich Nixon mit ihren Vorbildern: „Profi-Bodybuilder sind großteils schwarz.“Nixon selbst ist auch Bodybuilder, hat 2019 bei der fränkischen Meisterschaft den zweiten Platz belegt. Ob ihm seine imposante Erscheinung einige Beleidigungen erspare? „Das glaube ich schon. Seitdem ich mehr Muskelmasse habe, sind die Leute mir gegenüber nicht mehr so provokant.“
Der Mann mit den dicken Oberarmen hat auch ein dickes Fell, was Rassismus angeht, und verzeiht einige sprachliche Ausrutscher: „Die Generation der 70-Jährigen wurde mit dem Wort ,Neger‘ für Schwarze großgezogen. Wenn ich es von einem älteren Herren höre, denke ich mir, dass er es vielleicht gar nicht böse meint. Wenn es Leute in meinem Alter sind, wird es kritischer.“
Wer Nixon für einen Ausländer hält, bemerkt seinen Irrtum spätestens, sobald dieser zu sprechen beginnt – Deutsch ist schließlich seine Muttersprache.
Das ist bei Sevan Georg nicht der Fall: Der Inhaber des Augsburger Friseursalons „King Barber“, aufgewachsen im Irak, redet mit starkem Akzent. Er kam 2006 nach Deutschland, ist inzwischen eingebürgert. Der 39-Jährige kann auf 25 Jahre Berufserfahrung zurückblicken, schon als Kind hat er im Salon seines Vaters gelernt. In Deutschland konnte er sich nach einigen Jahren Arbeit im Friseursalon seines Bruders
zur Meisterausbildung anmelden. Von abfälligen Bemerkungen über seine Herkunft oder anderen Diskriminierungen weiß er während dieser Zeit nichts zu berichten. Im Gegenteil: „Viele waren stolz auf mich, haben gesagt: „Eine tolle Leistung, den ganzen Tag arbeiten und am Abend noch lernen.“Es sei für ihn eine harte Zeit gewesen: Seine Frau war noch in der Ausbildung zur Apothekerin und die beiden Kinder mussten versorgt werden.
2018 hielt er dann seinen Meisterbrief in den Händen und konnte sich selbstständig machen. Nach fremdenfeindlichen Äußerungen seitens seiner Kunden gefragt, muss Georg nicht lange überlegen: „Ich merke gar nichts, sie sind sehr nett zu mir. Wegen meiner Herkunft habe ich mir noch nie etwas anhören müssen.“
Auch Salih Sürer gibt an, er habe bei der Arbeit keine solchen Erfahrungen gemacht. „ Ich glaube, dass das auch daran liegt, dass sich die Unternehmen, mit denen ich zu tun habe, so etwas gar nicht leisten können“, sagt der Inhaber eines 3D-Druck-Betriebs in Immenthal (Landkreis Ostallgäu), der außerdem im Elektronik-Industriesektor arbeitet. „Da gibt es strikte Regeln, das Unternehmen hätte ziemlich schnell ziemlich große Probleme.“
Auch abseits des internationalen Markts, in seiner Gemeinde Günzach, hat Sürer einen guten Draht zu seinen Mitbürgern: Er sitzt als Zweiter Bürgermeister im Gemeinderat. Er ist in Deutschland geboren, seine Eltern stammen aus der Türkei.
Trotz der eigenen guten Erfahrungen habe er schon öfter von anderen Unternehmen gehört, bei denen zum Beispiel in Produktion oder Montage Bewerber mit Migrationshintergrund ungern eingestellt würden wegen Vorurteilen wie „der passt nicht ins Team“oder „der spricht unsere Sprache nicht“. Ein fremd klingender Name könne schon dafür ausreichen, dass die Bewerbung abgelehnt wird.
Beim Thema Rassismus komme es nicht nur auf das Verhalten der anderen an, sondern auch darauf, was man an sich heranlasse – das ist der Ansatz von Hadil Khalili, Inhaberin der Datteleria, einem DattelSpezialitätenladen in der Augsburger Innenstadt. Die gebürtige Saudi-Araberin lebte eine Weile in Dubai, bevor sie vor sechs Jahren nach Deutschland kam. Schon als kleines Kind habe sie etwas Wichtiges von ihren Eltern gelernt: „Jeder Mensch hat etwas Positives und etwas Negatives.“Sie achte lieber auf die positiven Seiten. „Ich höre manches, das mir nicht gefällt. Aber ich ärgere mich nicht darüber, es ist mir einfach egal. Ich lasse es nicht in meinen Kopf, damit es nicht größer wird.“Deswegen wolle sie auch gar nicht davon erzählen, ob sie in Deutschland wegen ihrer Herkunft angefeindet wird. Aber eines möchte sie doch loswerden: „In SaudiArabien gibt es viel schlimmeren Rassismus, der ganz offen gelebt und von den Eltern an die Kinder weitergegeben wird.“Das habe sie hier nicht erlebt. Sie versuche, das Thema Rassismus für sich und ihre Familie zu vermeiden – und dazu gehöre für sie auch, manches einfach zu überhören.