Rückständig und diskriminierend
Was eine Libelle, ein Traumfänger und das Wort „Ohana“, hawaiianisch für Familie, gemeinsam haben? Diese drei Tattoomotive sind mit ein Grund dafür, dass Lisa Lang, 23, in Nördlingen keine Ausbildung zur Erzieherin machen darf. Die katholisch getragene Fachakademie für Sozialpädagogik Maria Stern verwies die junge Frau auf ihre Hausordnung und stellte sie vor das Ultimatum: Tattoos verdecken und Gesichtspiercings raus, oder Schule verlassen. Lang wollte sich nicht verbiegen und ging. Das Vorgehen der Schule lässt tief blicken. Es ist diskriminierend und reaktionär.
Die Zeiten, in denen Erzieher ausschließlich weiblich waren und weiß-beschürzt durch die Kindergärten hetzten, sind heute vorbei. Dieses altmodische Rollenbild ist vielerorts überwunden. Gerade deshalb wirkt die Hausordnung der Nördlinger Fachakademie stellenweise wie aus der Zeit gefallen. Punkt 3 regelt dort das weitgehende Verbot von Gesichtspiercings und sichtbaren großflächigen Tattoos. Diese Regel widerspricht dem Kern des Erzieher-Berufs: empathisch zu sein und andere so zu akzeptieren, wie sie sind.
Verschärfend hinzu kommt, dass der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern seit Jahren massiv steigt: Im Schnitt ist bundesweit jede zweite Kita-Gruppe zu groß. Die Schulleitung der Fachakademie muss sich im Klaren darüber sein, welche Signalwirkung ihre Regeln haben. Ist ein junger, motivierter Mensch mit Piercings ein schlechterer Erzieher? Mitnichten.
Die Nördlinger Fachakademie ist sicherlich keine schlechte. Ihr Angebot ist hochwertig und breit gefächert. Nur sollte es jedem zur Verfügung stehen, ob er oder sie nun Nasenpiercings trägt, oder nicht.