Wunderbarer Schlusspunkt
Das großartige Münchner Kammerorchester „Die Zarge“lässt den Harburger Kulturherbst im Fürstensaal des Schlosses würdevoll und virtuos ausklingen
Harburg Einem ganz besonderen Synergieeffekt ist es zuzuschreiben, dass der Harburger Kulturherbst mit einem grandiosen Konzert im Fürstensaal seinen Abschluss finden konnte. Die Woche zuvor hatte das renommierte Münchner Kammerorchester „Die Zarge“sein 45-jähriges Bestehen gefeiert und bot beim zweiten Gastspiel auf Schloss Harburg gleichsam ein, oder besser „ihr“Jubiläumskonzert.
Nun war es in Pandemiezeiten nicht ganz einfach, das stattliche Laienorchester vor Ort zu bekommen und dann die coronabedingten Veranstaltungsauflagen zu erfüllen. „Viele Abstimmungen waren nötig“, verriet die Leiterin des Bildungswerks, Doris Thürheimer, bis mit dem organisatorischen Leiter des Orchesters, Christian Marek, alle Details geklärt waren und unter den Konzertgästen von der FürstOettingen-Wallerstein-Kulturstiftung Vorstand Friedrich Hertle, Bürgermeister Christoph Schmidt und Altbürgermeister Wolfgang Kilian begrüßt werden konnten.
Es musste schon mucksmäuschenstill sein, ehe der musikalische Leiter, Professor Bernhard Tluck, den Auftakt für sein Kammerorchester zum Konzert für zwei Violoncelli und Streichorchester von Antonio Vivaldi gab. In den beiden Allegro-Ecksätzen demonstrierte das Orchester ein klangfreudiges Werk und räumte im Largo den beiden Cellistinnen Katrin Banhierl und Lisa Pokorny den expressiven Mittelteil ein.
In charmanter Art führte Konzertmeister Tluck die Sopranistin Pernilla Landqvist in den Konzertsaal, in dessen hervorragender Akustik sich die brillante Stimme der Sängerin voll entfalten konnte. Mit der Kantate „Orfeo“von Giovanni Battista Pergolesi wählte die Sängerin eine „Oper im Taschenformat“, stand aber mit ihrer musikalischen Darbietung den großen Werken in nichts nach.
Das Kammerorchester wirkte beinahe als „Begleitung“, und der Klangkörper war vom Dirigenten so ausbalanciert, dass die klare Sopranstimme orchestral niemals überlagert, aber auch nicht zum Ausdruck von Dominanz wurde. Ein musikalisches Erlebnis, das mit der Zugabe „Solveigs Lied“von Eduard Grieg zusätzlich unterstrichen wurde.
Nun ist Professor Bernhard Tluck seit 40 Jahren nicht nur Dirigent der Zarge, sondern spielt auch die erste Geige. Bei solcher Konstellation kommt es gerade in einem Amateurorchester auf die Feinabstimmung an, welche den 24 Streichern, unter sehr hoher Frauenquote, im Adagio aus „Souvenir de Florence“von Peter Tschaikowsky ausgezeichnet gelang. Mit Augenkontakt, verbindlichen Gesten und einem gelegentlichen Bogenschwung führte Bernhard Tluck in dieser eher selten zu hörenden klassischen Komposition sein Orchester in ruhiger Weise. Zwischen verbindenden Melodienfolgen und flotter Rhythmik verlangte das Werk von den Streichern Pizzicato, und so bot sich mit diesen Zupfpassagen die ganze Bandbreite musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten für das disziplinierte Publikum.
Zupftöne beinhaltete auch die temperamentvolle Serenade für Streichorchester des schwedischen
Komponisten Dag Wirén. Während seine Bekanntheit in unseren Regionen noch steigerungsfähig wäre, ist seine Serenade op. 11 eine seiner bekanntesten Kompositionen. Das Orchester verdeutlichte in den Sätzen Allegro molto, Andante espressivo und Tempo di marcia die unterschiedlichsten Klangfarben, mal schwungvoll, sehr einfühlsam, in harmonischem Einklang beim Pizzicato und immer perfekt den geforderten Tempi des Dirigenten folgend. Ein perfekter Abschluss zum diesjährigen Harburger Kulturherbst.
Außer Frage, dass dieses außergewöhnliche Konzerterlebnis nach Zugabe verlangte. Nachdem sich das Zupfen der Töne mehrfach durch die Programmfolge gespult hatte, war es nicht überraschend, dass mit einem klangreinen Pizzicato beinahe kinderliedähnlich sentimental der Schlusspunkt unter ein wunderbares Konzert gesetzt wurde. Die Zuhörer bedankten sich mit begleitendem Applaus, bis auch die letzte Musikerin mit ihrem großen Kontrabass den Fürstensaal verlassen hatte.