Endlich baut Flick auf ihn
Langsam zeigt sich, warum der FC Bayern 80 Millionen Euro in Lucas Hernandez investiert hat. Für Aufregung sorgt vor dem Spiel gegen Madrid Serge Gnabry – der erste Corona-Fall des Klubs
München Zwei Monate später befindet sich Hansi Flick tatsächlich in jener Luxussituation, der er sich schon für das Finale der Champions League erwünscht hatte. Als die Münchner am 23. August gegen Paris St. Germain antraten, musste der Trainer Joshua Kimmich ja noch aus der Mittelfeldzentrale auf die etwas randständige Position rechts hinten beordern. Benjamin Pavard fehlte verletzt und seinem Vertreter Alvaro Odriozola traute Flick nicht zu, einen adäquaten Ersatz geben zu können. Links hinten war Alphonso Davies ebenso gesetzt wie neben ihm Innenverteidiger David Alaba. Dabei hatten die Münchner doch extra 80 Millionen Euro ausgegeben, um mit Lucas Hernandez einen herausragenden Akteur für die beiden Positionen in den eigenen Reihen zu wissen. Einige Verletzungen, Operationen und einen Leistungsschub bei Davies später blieb für Hernandez nur der Platz auf der Bank.
Nun aber, zwei Monate später, zeigt sich Flick „recht zufrieden mit dem Kader“, sagte er vor dem Spiel am Mittwoch gegen Atlético Madrid (21 Uhr, Sky) in der Champions League. Vor allem in der Breite habe er nun mehr Auswahl. Nachdem Hasan Salihamidzic kurz vor dem Schließen des Transferfensters zum Power-Shopper avancierte, stehen Flick plötzlich ganz neue Möglichkeiten offen. Was daran am meisten verwundert: Er setzt dort auf einen neuen Spieler, wo es die wenigsten erwartet hätten. Mit Hernandez, jenem 80-Millionen-Transfer des Sommers 2019, war in dieser Spielzeit kaum in der Anfangsformation zu rechnen. Nun aber hat sich der 24-Jährige offensichtlich vorerst gegen seinen fünf Jahre jüngeren Kontrahenten Davies durchgesetzt. Dabei war der Kanadier in der vergangenen Saison noch der Aufsteiger des Jahres gewesen.
Im ersten Champions-LeagueSpiel nach dem Triumph von Lissabon wird Hernandez in der Anfangsformation stehen. Flick wies zwar darauf hin, dass Davies nun wieder präsenter sei, aber eben auch ein „bisschen ein Tief hatte, wie es in dem Alter ganz normal ist“. Für Hernandez geht es somit gegen seinen alten Arbeitgeber, der für ihn viel mehr als ein Arbeitgeber gewesen ist. Schließlich spielte er schon als Elfjähriger für Atlético. Später holte ihn Trainer Diego Simeone zu den Profis. Den argentinischen Defensiv-Guru bezeichnet Hernandez auch heute noch als „besten Trainer der Welt“. Simeone lässt keinen Zweifel daran, dass die Hochachtung beidseitiger Natur ist. Im vergangenen Jahr verließen neben Hernandez auch Kapitän Diego Godin und Stürmerstar Antoine Griezman Atlético, Simeone aber klagte: „Der Abschied, der uns am meisten wehtut, ist der von Lucas. Daran habe ich keinen Zweifel.“
Hernandez tat sich ein Jahr lang schwer in München. Vor allem Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück. Nun scheint er seinen Platz vorerst sicher zu haben. „Seine Aggressivität gegen den Ball tut uns gut“, so Flick. Im Gegensatz zum schnellen, aber sich mitunter unbedarft positionierenden Davies besticht Hernandez durch ein derartig exzellentes Stellungsspiel, dass er gar nicht in den Hochgeschwindigkeitsmodus schalten muss.
Ob Joshua Kimmich, der ihn im Finale vertrat, überhaupt zum Aufgebot gehört, ist noch fraglich. Die Partie am Samstag in Bielefeld verpasste Kimmich, weil seine Freundin das zweite Kind erwartet. Noch lässt der Nachwuchs weiter auf sich warten. „Joshua ist enorm wichtig für uns und jeder weiß ja, wie schnell es beim zweiten Kind gehen kann.“Zumindest der zweifache Vater Flick weiß es.
Definitiv fehlen wird Serge Gnabry. Am Dienstagabend verkündete der FC Bayern auf seiner Homepage, dass der Nationalspieler positiv auf Covid-19 getestet worden sei. Der Nationalspieler befindet sich in häuslicher Quarantäne. Am Vormittag hatte er noch am Abschlusstraining teilgenommen, die CoronaTests hatten unmittelbar davor stattgefunden. Wie sich der erste Corona-Fall des FC Bayern auswirkt, war unklar. Weitere Tests von Gnabrys Teamkollegen am Mittwoch sollen zeigen, wer für die Partie gegen Atlético zur Verfügung steht – und ob das Spiel überhaupt stattfinden kann. Theoretisch könnte das zuständige Referat für Gesundheit und Umwelt in München eine Quarantäne für die gesamte Mannschaft anordnen. Eine Aussage dazu gab es zunächst nicht.