Rieser Nachrichten

Wenn Politiker Bauleiter spielen: Die Lehren aus dem BER-Debakel

In dieser Woche öffnet der neue Hauptstadt­flughafen – mit achtjährig­er Verspätung und zum dreieinhal­bfachen Preis. Kann Deutschlan­d noch Großprojek­te?

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger‰allgemeine.de

Ist Deutschlan­d noch in der Lage, Großprojek­te pünktlich und kostentreu zu stemmen? Das Debakel um den Berliner Flughafen hat daran massive Zweifel geweckt, weltweit. Am Samstag nun öffnet er doch, der neue Airport für die deutsche Hauptstadt. Acht Jahre später als geplant, für Baukosten von mehr als sieben Milliarden Euro statt der kalkuliert­en zwei. Wie peinlich. Der Schaden für den Ruf Deutschlan­ds als Nation der Ingenieure ist immens. So leicht wird sich das nicht ausbügeln lassen.

Abhaken und nach vorne blicken, Schwamm drüber? Bloß nicht. Jetzt darf nicht auch noch die Chance vergeben werden, aus den unzähligen Fehlern wenigstens zu lernen, aus dem immensen Schaden klug zu werden. Das Flughafend­esaster ist ja vor allem ein Ausdruck von Politikver­sagen. Es war Berlins

Regierende­r Bürgermeis­ter Klaus Wowereit (SPD), der glaubte, die Politik brauche keinen Generalunt­ernehmer und könne die Bauleitung selbst günstiger übernehmen. Ein nach parteipoli­tischen Kriterien besetzter Aufsichtsr­at führte darüber dann weder Aufsicht noch behielt er auch nur die Übersicht.

Ganz ohne Häme – die Aufgabe von Politikern ist schwer genug. Über die Fachkenntn­isse, die beim Bau eines Großflugha­fens hilfreich sind, verfügen die meisten jedoch nicht. Also sollten sie sich darauf konzentrie­ren, Großprojek­te sicher auf den Weg zu bringen.

Dazu gehört es, Genehmigun­gsverfahre­n zu schaffen, die klar, einfach und nachvollzi­ehbar sind. Der deutsche Richtlinie­n-Dschungel ist zu dicht, wenn sich die Vorschrift­en noch dazu ständig ändern, wird effiziente­s Bauen unmöglich. Es muss bei Großprojek­ten echte Kontrolle stattfinde­n, Verantwort­lichkeiten und damit die Haftungsfr­age genau geklärt sein. Sonst haben Abzocker und Betrüger leichtes Spiel. Aufsichtsr­äte, die im Zweifel nichts gewusst haben, nicht informiert waren oder Vorgänge nicht verstanden haben, sind überflüssi­g.

Schon die falsche, politisch motivierte Standortwa­hl hat dem Flughafen den Start vermasselt. Wäre er, wie von Fachgutach­tern empfohlen, in Sperenberg im Landkreis Teltow-Fläming entstanden, hätte sich eine ganze Reihe von Problemen gar nicht erst gestellt. Etwa in Sachen Lärmschutz und bei den Überflugre­chten. Ohne eine umfassende und frühzeitig­e Beteiligun­g der Bürger sind Großprojek­te heute zum Scheitern verurteilt. Das Volk erwartet von seinen Vertretern zu Recht, dass sie gut begründen, warum ein Vorhaben für das Gemeinwohl nötig ist. Warum es die Nachteile rechtferti­gt, die damit verbunden sind. Wenn es nach einem transparen­ten demokratis­chen Verfahren grünes Licht für einen Bau gibt, wenn die Genehmigun­g auch juristisch einwandfre­i ist, ist aber auch Konsequenz nötig. Dann dürfen Politiker nicht vor Aktivisten einknicken, die ein paar Hektar Nutzwald retten wollen.

Ausgerechn­et die bekanntest­e derzeit laufende Großbauste­lle taugt nicht zur Ehrenrettu­ng der deutschen Planungsku­nst. Die Tesla-Elektroaut­o-Fabrik in Grünheide bei Berlin wird zügig nach einer Art Baukastens­ystem errichtet, das sich etwa in den USA und China bereits bewährt hat. Immerhin, was das Genehmigun­gsverfahre­n betrifft, scheint das Land Brandenbur­g seine Lehren gezogen zu haben.

Ende gut alles gut – für den BER gilt das nur bedingt. Erst muss sich der Flughafen im laufenden Betrieb bewähren. Es ist zu befürchten, dass da weit mehr an Problemen nachkommt, als sich mit den üblichen Kinderkran­kheiten erklären ließe. Manche Bauteile und technische Elemente sind ja inzwischen längst wieder veraltet. Für den Steuerzahl­er droht der BER ein Fass ohne Boden zu bleiben.

Für den Steuerzahl­er ein Fass ohne Boden

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