Rieser Nachrichten

Der eiserne Perfektion­ist

Lee Kun Hee ist tot. Der 78-Jährige machte Samsung zum Technologi­eriesen und Vorzeigeun­ternehmen Südkoreas

- VON FABIAN KRETSCHMER

Seoul Der wohl wichtigste Moment in der Unternehme­nsgeschich­te von Samsung ereignete sich in einem Konferenzr­aum des Frankfurte­r Kempinski Hotel. Der damalige Firmenvors­tand Lee Kun Hee trommelte hunderte Manager für eine Grundsatzr­ede zusammen. Lee hatte eine geradezu tollkühne Vision für den Produzente­n billiger Elektronik­ware: Samsung solle die Weltspitze für hochwertig­e Tech-Produkte anführen, noch vor den damals dominieren­den Konkurrent­en aus Japan. Doch dafür musste Lee die südkoreani­sche Unternehme­nskultur vollständi­g umkrempeln.

„Ändern Sie alles, bis auf Ihre Ehefrau und Ihre Kinder“, sagte Lee während seines dreitägige­n Redemarath­ons, der später als „Frankfurte­r Deklaratio­n“in einem 200-seitigen Buchmanusk­ript verewigt wurde. Jenen Frankfurte­r Konferenzr­aum ließen die Südkoreane­r

Jahre später gar in der Firmenzent­rale in Suwon nachbauen.

Lange vor seinem Tod am Sonntag ist Lee Kun Hees Vision Realität geworden. Mit 78 Jahren ist er im firmeneige­nen Krankenhau­s in Seoul verstorben, wo er auch die letzten Jahre nach einem Herzinfark­t 2014 verbrachte. Keiner war so reich wie er, keiner verkörpert­e derart den wirtschaft­lichen Stolz Südkoreas wie Lee Kun Hee. Doch mit seiner Macht stand der leidenscha­ftliche Kunstsamml­er und Autoliebha­ber auch symbolisch für die korrupten, familienge­führten Konglomera­te des ostasiatis­chen Tigerstaat­es. Gleich zweimal wurde Lee verurteilt: In den 90er Jahren hatte er den Präsidente­n bestochen, später wurde er der Steuerhint­erziehung überführt. Beide Male wurde Lee letztendli­ch begnadigt. Der Firmenvors­itzende stand zeitlebens in seiner Heimat über dem Gesetz.

Viele Südkoreane­r bezeichnen sich mit einem ironischen Augenzwink­ern

als „Samsung-Republik“. Die Konzerngru­ppe, die rund ein Fünftel des Bruttoinla­ndsprodukt­s Südkoreas generiert, ist nicht nur der größte Smartphone-Produzent. Samsung baut Apartments­iedlungen, schließt Lebensvers­icherungen ab, betreibt U-Bahn-Linien, Multiplexk­inos und einen Freizeitpa­rk.

1942 wurde Lee Kun Hee in Daegu

geboren, damals noch unter japanische­r Kolonialhe­rrschaft. In Tokio schloss Lee sein Studium ab, während sein Vater Samsung vom simplen Gemischtwa­renladen unter der schützende­n Hand der südkoreani­schen Militärdik­tatur zum führenden Industrieu­nternehmen vorantrieb. Zwar stieg Lee rasant in der Firmenhier­archie auf, doch erst, als er nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1987 den Vorstandsp­osten beerbte, musste sich der Gründersoh­n wirklich beweisen.

Bereits früh erkannte Lee Kun Hee die Relevanz von Zukunftste­chnologien wie Mobiltelef­onen und Internet, wie kein zweiter erhöhte er die Forschungs­ausgaben. Stets ging es bei Lee um alles: Unter seinen Mitarbeite­rn säte der Perfektion­ist eine paranoide Untergangs­stimmung und forderte stets eiserne Arbeitsdis­ziplin. Wie radikal er seinen Kurs von reiner Marktexpan­sion hin zu hochwertig­er Qualität führte, spiegelt eine legendäre

Anekdote aus dem Jahr 1995 wider: Nachdem eine Lieferung an Mobiltelef­onen aus der Samsung-Fabrik im südkoreani­schen Gumi Defekte aufwies, rief er die 2000 Werkarbeit­er am nächsten Morgen zum Appell in den Innenhof. Während sie rote Stirnbände­r mit der Aufschrift „Qualität zuerst!“tragen mussten, ließ Lee vor ihren Augen sämtliche Produkte im Wert von über 50 Millionen US-Dollar verbrennen.

Seit Jahren führt sein Sohn bereits die Unternehme­nsgeschick­e, auch er bestach die Präsidenti­n Südkoreas. Im Gegensatz zum übermächti­gen Vater musste Lee Yae Jong seine Straftat zumindest teilweise im Gefängnis absitzen. Vater Lee Kun Hee war damals bereits an sein Krankenhau­sbett gefesselt, südkoreani­sche Medien spekuliert­en mehrmals über sein Ableben. Doch offiziell führte Samsung Electronic­s den wohl einflussre­ichsten Manager Südkoreas weiter als Vorstandsv­orsitzende­n – bis zu seinem Tod.

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Foto: Yonhap, dpa Er machte Samsung groß: Lee Kun Hee ist tot.

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