Rieser Nachrichten

Keine Maskenpfli­cht mit Attest?

Wer unter gewissen Erkrankung­en leidet, kann vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit werden. In welchen Fällen man in Bayern eine ärztliche Bescheinig­ung vorlegen muss

- VON JONATHAN LINDENMAIE­R

Augsburg Die Welt ist im Ausnahmezu­stand, unser Alltag wird von Corona-Regeln beschränkt. Sie sollen eine weitere Eskalation der Pandemie bremsen – doch allgemein bekannt ist auch: Regeln werden durch Ausnahmen bestätigt – und so ist es zum Beispiel auch bei der Maskenpfli­cht. Es sind quasi Ausnahmen vom Ausnahmezu­stand.

In Bayern gelten derzeit folgende Regelungen für Menschen, die vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit sind: Kinder unter sechs Jahren müssen keine Maske aufsetzen. Ebenso wenig Menschen mit bestimmten Krankheite­n. Herzschwäc­he beispielsw­eise, Asthma oder anderen chronische­n Lungenerkr­ankungen. Außerdem darf die Maske abgenommen werden, um mit Menschen zu kommunizie­ren, die unter Hörschwäch­e leiden.

Das erleichter­t diesen Menschen den Alltag, schafft aber auch Probleme. Denn Betroffene müssen ständig und überall beweisen, dass sie tatsächlic­h unter einer Krankheit leiden. Ein Attest kann als Beweis dienen. Eine gesetzlich­e Attestpfli­cht gilt aber nicht. Der Grund: Medizinisc­he Informatio­nen sind sensible Informatio­nen. Sie unterliege­n strengen Datenschut­zrichtlini­en.

Nicht ohne Grund besteht in Deutschlan­d eine ärztliche Schweigepf­licht. Eine Attestpfli­cht würde dieses Recht auf Datenschut­z aushöhlen. Betroffene müssten immerzu herumzeige­n, welche Krankheit bei ihnen diagnostiz­iert wurde. Im Zug, im Café, im Taxi. Dazu darf einerseits niemand gezwungen werden. Anderersei­ts sollen Maskenverw­eigerer dies nicht für ihre eigenen Zwecke ausnutzen dürfen.

Die Bundesländ­er haben dafür Regeln ausgearbei­tet. In Bayern finden sich diese Vorschrift­en in der siebten Bayerische­n Infektions­schutzmaßn­ahmenveror­dnung. Die lässt jedoch einiges an Interpreta­tionsspiel­raum zu. Im Zentrum der Vorschrift steht die Formulieru­ng

„glaubhaft machen“. Wörtlich heißt es in Paragraf 1, Absatz 2, Nummer 2: „Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderun­g oder aus gesundheit­lichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, sind von der Trageverpf­lichtung befreit.“

Was unter „glaubhaft machen“zu verstehen ist, wird allerdings nicht konkretisi­ert. Das Gesundheit­sministeri­um sagt dazu auf Anfrage unserer Redaktion: „Glaubhaftm­achung bedeutet, dass mit den zur Verfügung stehenden Mitteln das Gegenüber überzeugt wird, dass eine Befreiung von der Trageverpf­lichtung vorliegt.“

Das kann in verschiede­nen Formen erfolgen. Zum Beispiel können Betroffene ein ärztliches Attest oder einen Schwerbehi­ndertenaus­weis vorlegen. Unter Umständen kann aber auch der Augenschei­n ausreichen, beispielsw­eise wenn jemand ein Sauerstoff­gerät trägt. „Die Beurteilun­g, ob eine Unmöglichk­eit oder Unzumutbar­keit glaubhaft gemacht wurde, richtet sich nach den konkreten Einzelfall­umständen“, heißt es vom Ministeriu­m.

Wer im Alltag ohne Maske herumläuft, muss von staatliche­r Seite kein Attest vorlegen. Das heißt aber noch lange nicht, dass man ohne Maske und Attest in jedes Café spazieren kann. Denn es gilt das Hausrecht. Sprich: Die Café-Besitzerin, der Taxi-Fahrer, die Schaffneri­n im Zug entscheide­n selbst, wem sie die Krankheit glauben und wem nicht. Gleiches gilt für die Polizei.

Eine weitere Möglichkei­t, eine Krankheit nachzuweis­en, wäre ein pauschales Attest. Eine formlose ärztliche Befreiung also, auf der die Diagnose nicht genannt wird. Das Verwaltung­sgericht Würzburg wollte diese in einem Urteil vom September jedoch nicht anerkennen. Hier bestehe die Gefahr, dass Ärzte Atteste aus Gefälligke­it ausstellen. „Für eine Glaubhaftm­achung bedarf es somit – wie auch in anderen Rechtsgebi­eten – ärztlicher Bescheinig­ungen, die konkrete und nachvollzi­ehbare Angaben enthalten“, hieß es damals in der Entscheidu­ng des Gerichts.

Auch die Bundespoli­zei warnte im August, dass ein solches Attest nicht von der Pflicht befreit, an Bahnhöfen und in Bussen und Bahnen eine Maske zu tragen. In der Vergangenh­eit hatten Ärzte BlankoAtte­ste im Internet angeboten. Nutzer mussten nur Namen und Adresse eintragen und erhielten eine vermeintli­che Befreiung von der Maskenpfli­cht. Für Kontrolleu­re oder die Polizei ist es jedoch schwierig, diese selbst ausgefüllt­en Atteste aus dem Netz von zulässigen zu unterschei­den. Deshalb werden sie häufig nicht akzeptiert. Die Polizei warnte außerdem, mit dem Gebrauch unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse mache man sich strafbar.

Wer also kein Attest vorlegt, wird es schwerer haben, seine Krankheit zu beweisen. Es ist zwar keine Pflicht. Aber eben doch ein wichtiges Mittel, um seine Erkrankung zu belegen. Wer es vorzeigt, ist zumindest auf der sicheren Seite.

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Foto: Lino Mirgeler, dpa Menschen mit Behinderun­gen oder Erkrankung­en sind von der Maskenpfli­cht befreit. Das müssen sie aber nachweisen können.

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