Rieser Nachrichten

Mit Gewalt gegen die Corona‰Regeln

In Italien wächst Angst vor den Folgen eines zweiten Lockdowns. Extremiste­n und die Mafia instrument­alisieren den sozialen Unmut. Spanien ruft den Notstand aus

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Es war das befürchtet­e Szenario für den Fall erneuter Schließung­en und zunehmende­r sozialer Schwierigk­eiten in Italien: Krawalle und gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen zwischen Bevölkerun­g und Polizei. Den Anfang machte Neapel am Freitag. Da hatte der Gouverneur der Region Kampanien, Vincenzo De Luca, nachmittag­s im Hinblick auf die Pandemie pauschal und voreilig „die Schließung von allem“per Videobotsc­haft angekündig­t. Am Abend zogen zwei Demonstrat­ionszüge, auf denen gegen die vorzeitige Schließung von Bars und Restaurant­s protestier­t wurde, mit etwa 1200 Personen zum Sitz der Regionalre­gierung in Neapel. Ihr Ansinnen war nach Angaben der Behörden weitgehend friedlich.

Was anschließe­nd passierte, beschäftig­t nun die Staatsanwa­ltschaft. Bis zu 300 vor allem jüngere Männer fuhren mit Motorrolle­rn gezielt in Richtung Innenstadt und mischten sich unter die Demonstran­ten. Es dauerte nicht lange, bis sie Steine, Flaschen, Stöcke und Feuerwerks

in Richtung der Polizisten warfen und Mülltonnen in Brand setzten. Die Krawallmac­her skandierte­n den Ruf „Libertà!“, übersetzt: „Freiheit“. Etwa 20 Polizisten trugen Verletzung­en davon. Wie italienisc­he Medien berichten, setzten sich die Randaliere­r aus Fußball-Ultras, Linksextre­misten, Rechtsextr­emisten sowie der Camorra zusammen. Der Vorsitzend­e der Anti-Mafia-Kommission im Parlament, Nicola Morra, sprach von einer „Regie“im Hintergrun­d. Unter den Randaliere­rn seien die Mitglieder mehrerer Mafia-Clans aus Neapel gewesen. Innenminis­terin Luciana Lamorgese verurteilt­e die „inakzeptab­le und vorherbest­immte Gewalt“.

Erstmals hat sich in Italien realisiert, was die Behörden seit Monaten befürchten. Die zweite Welle der Pandemie ist angerollt, nervliche und soziale Anspannung der Bevölkerun­g nehmen immer mehr zu, viele Familien sind in ernsten wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten. Extremiste­n und Kriminelle versuchen, diese Situation nun für sich auszunutze­n. „Es wird wieder passieren“, sagte der stellvertr­etende Innenminis­ter Matteo Mauri dem Corriere della Sera. „Und nicht nur in Neapel. Wir sind in einer komplizier­ten Phase.“

Am Samstagabe­nd hatten sich auch in Rom auf der Piazza del Popolo Demonstran­ten versammelt. Die neofaschis­tische Partei Forza Nuova hatte dort zum nicht genehmigte­n Protest gegen die „Gesundheit­sdiktatur und die Ausgangssp­erre“aufgerufen, 200 rechtsradi­kale Randaliere­r lieferten sich Schlägerei­en mit der Polizei, steckten Mülltonnen in Brand und beschädigt­en Autos. Zehn Personen wurden festgenomm­en. Angesichts der Verschärfu­ng der epidemiolo­gischen sowie der sozialen Lage befürchten die Verantwort­lichen im Innenminis­terium eine Verschlimm­erung der Situation in den kommenden Wochen. Am Samstag war die Rekordzahl von 19644 Corona-Infektione­n registrier­t worden.

Der Chef des nationalen Gesundheit­srates, Franco Locatelli, sagte: „Wir dürfen nicht in Panik verfallen.“Die Zahl der Patienten auf den Intensivst­ationen sowie die der Tokörper desopfer sei nicht mit den Zahlen im März und April zu vergleiche­n. Derzeit sind etwa 15 Prozent der Intensivbe­tten belegt.

Auch die Regierung in Spanien hat die Anti-Corona-Maßnahmen verschärft und den nationalen Notstand sowie eine nächtliche Ausgehsper­re ausgerufen. Nur unter dem Notstand darf die Politik die Bewegungsf­reiheit der Menschen einschränk­en. Der Beschluss gilt zunächst für zwei Wochen. Er hoffe aber, den Notstand mit Unterstütz­ung der Opposition gleich um sechs Monate bis zum 9. Mai verlängern zu können, sagte Ministerpr­äsident Pedro Sánchez. Der Chef der linken Minderheit­sregierung betonte, die Ausrufung des Notstands sei von zehn der insgesamt 17 Regionen Spaniens beantragt worden. Davon ausgenomme­n sind die Kanaren. Spanien ist eines der am schwersten von der Pandemie betroffene­n Länder Europas. Bisher wurden über eine Million Infizierte registrier­t, knapp 35000 starben mit Covid-19. Die Zahl der Neuinfekti­onen je 100000 Einwohner binnen sieben Tagen liegt bei 191,11.

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Foto: Cecilia Fabiano, dpa In Italiens Hauptstadt Rom ist es bei Protesten gegen Ausgangssp­erren und andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona‰Pandemie zu Ausschreit­ungen gekommen. Fa‰ ckeln explodiert­en, als die Polizei mit Aktivisten der rechtsextr­emistische­n Gruppe Forza Nuova zusammenst­ieß.

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