Ein „Lebensnichtlauf“– immerhin
Thomas Steierer gastiert im Oettinger Kino-Kabarett. Trotz spärlichen Besuchs ist die Stimmung bestens
Oettingen Es sind harte Zeiten für Künstler aller Couleur, Corona beeinträchtigt auch und vor allem das komische Fach massiv. Umso erfrischender ist es, wenn ein Satiriker der Situation mit Selbstironie begegnet – so wie Thomas Steierer bei seinem Auftritt im Oettinger KinoKabarett. „Immerhin“sei er durch die Pandemie nicht aus der beruflichen Komfortzone herausgestoßen worden, „weil ich da nie drin war.“
Und schon befindet sich der Besucher mitten in der Erlebenswelt des Protagonisten. In dieser weisen erfolgreiche Menschen einen Lebenslauf vor, während er bei sich, bei dem es eben nicht so rund läuft, von einem „Lebensnichtlauf“spricht. Doch diesem gewinnt er mit unerschütterlichem Optimismus die positiven Seiten ab - ausgedrückt durch das stets wiederkehrende Adverb „immerhin“.
„Immerhin“sei er also zwei Jahre lang im Gagschreiber-Pool der Harald-Schmidt-Show gewesen, auch wenn kein einziger seiner Gags genommen wurde. „Immerhin“habe er einen Job bei einer Agentur gefunden, auch wenn diese ihr Personal gnadenlos ausgebeutet habe. „Immerhin“habe man die „Arbeitsknechte“mit Vergünstigungen gelockt, wobei er sich anstatt des Feldbetts im Büro („erspart eine Wohnung“) für die Versorgung mit Kokain entschieden habe („Geschäftsführer und Mitarbeiter auf einer Linie“).
Neben all diesen Versuchen, aus den ständigen Pleiten „die Ironie des Schicksals herauszudestillieren“, richtet Thomas Steierer regelmäßig Fragen an das Publikum, wobei er die Antwortmöglichkeiten selbst vorgibt. Was denn die Besucher glauben, für welchen Beruf er am besten geeignet sei? Flaschensammler („viele Erfolgserlebnisse und viel an der frischen Luft“) oder eher Frauenrechtler in Saudi-Arabien („einer muss es ja machen“)?
Weil Thomas Steierer seinen „Ansatz, die Dinge ernst zu betrachten“gestisch und mimisch konsequent umsetzt, streut er mehrere „Lachinseln“ein, in denen er Hintersinniges und Absurdes munter mischt: „Am FFK-Strand kann der Exhibitionist einpacken“, „mein cholerischer Nachbar schreit rum, um Ruhe zu haben“oder „es kommt auf die (medikamentöse) Einstellung
an, die Chemie muss stimmen“.
In seinem ersten abendfüllenden Soloprogramm („Zwei Stunden können lang sein, wenn man nur vier sichere Minuten hat“) bietet Thomas Steierer klassische Standup-Comedy. Dabei gibt der Gewinner
des „Großen Passauer Scharfrichterbeils“aus dem Jahr 2017 viel Autobiografisches preis, natürlich satirisch stark überzeichnet. Zudem berichtet er von einer Häufung „kafkaesker Situationen“, in die er gerät – etwa wenn bei Job-Anfragen meilenweit aneinander vorbeigeredet wird oder wenn er mit sich selbst hadert („Ich verabscheue Bier – aber meine Bühnenfigur verlangt danach“).
Bei seinem Auftritt in Oettingen präsentiert sich der gebürtige Münchner mal geistreich und humorvoll, mal irrwitzig und skurril. Vor allem aber – und das unterscheidet ihn wohltuend von vielen Comedians – wirkt er unverstellt und authentisch. So hatten die wenigen Besucher im Kino-Kabarett reichlich Spaß mit der direkten und kommunikativen Art des Künstlers und mischten munter mit. Obwohl das Hygienekonzept des Veranstalters für 60 Besucher ausgelegt war und es reichlich Voranfragen gab, waren aus bekannten Gründen nur 20 erschienen – immerhin!