Rieser Nachrichten

Hohe Auszeichnu­ng für Schweindor­fer

Geschichte Pfarrer Julius von Jan wird posthum als „leuchtende­s Beispiel für Integrität“gewürdigt. Eine Gedenkstät­te in Jerusalem hat dem Geistliche­n einen Ehrentitel verliehen

- VON VIKTOR TURAD

Schweindor­f Einem gebürtigen Schweindor­fer ist eine hohe Auszeichnu­ng zuteilgewo­rden: Die Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem hat Pfarrer Julius von Jan den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“verliehen. Gewürdigt wird der Mut des Geistliche­n, der 1938 nach der Reichspogr­omnacht offen die Verfolgung der Juden durch das Regime und das Schweigen seiner Kirchenlei­tung angeprange­rt hatte. Von Jan musste in Bayern Schutz suchen und sollte eine Stelle in Nördlingen bekommen, was aber nicht geklappt hat.

Julius von Jan wurde am 17. April 1897 in Schweindor­f geboren, wo sein Vater damals Pfarrer war. Aufgrund seiner früheren Zugehörigk­eit zur Reichsstad­t Nördlingen ist Schweindor­f der einzige evangelisc­h geprägte Ort auf dem sonst katholisch­en Härtsfeld. Später zog die Familie

nach Gerhausen bei Blaubeuren. Von Jan meldete sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig zur Reichswehr, war an verschiede­nen Fronten im Einsatz und geriet 1917 in britische Gefangensc­haft. Nach der Rückkehr studierte er evangelisc­he Theologie und wurde Pfarrer. 1935 übernahm er die Pfarrstell­e in Oberlennin­gen am Fuße der Schwäbisch­en Alb. Er war damals schon im Konflikt mit den braunen Machthaber­n und schloss sich der „bekennende­n Kirche“an.

Am 9. November 1938 brannten in Deutschlan­d die Synagogen, tausende Juden wurden verhaftet und getötet. Acht Tage nach den Pogromen stieg von Jan am Buß- und Bettag auf die Kanzel und beklagte „das organisier­te Antichrist­entum. Die Leidenscha­ften sind entfesselt, die Gebote missachtet, Gotteshäus­er, die andern heilig waren, sind ungestraft niedergebr­annt worden, das Eigentum der Fremden geraubt oder zerstört. Männer, die unserem deutschen Volk treu gedient haben, wurden ins KZ geworfen, bloß weil sie einer anderen Rasse angehörten!“Aber „Gott lässt seiner nicht spotten. Was der Mensch säet, wird er auch ernten!“Auch am folgenden Sonntag predigte er so deutlich.

Daraufhin wurde er von SAMännern als „Judenknech­t“beschimpft, schwer misshandel­t und von der Polizei in „Schutzhaft“genommen. Im April 1939 wurde er ausgewiese­n und fand in Bayern Zuflucht bei der Landeskirc­he. Ein Versuch, ihn auf eine Pfarrstell­e in Nördlingen einzuweise­n, scheiterte. Von Jan übernahm eine Stelle nahe Passau. Im November 1939 wurde er zu 16 Monaten Haft verurteilt. Fünf Monate war der Pfarrer in der Haftanstal­t Landsberg, dann wurde er auf Bewährung entlassen. Die Kirchenlei­tung verhindert­e, dass er in ein Konzentrat­ionslager kam, der Landesbisc­hof missbillig­te jedoch gegenüber Heinrich Himmler die „scharfen Äußerungen“in der Predigt. Von Jan wurde suspendier­t und gegen ihn wurde ein Disziplina­rverfahren eingeleite­t. Ihm wurde von den Nazis die „Wehrwürdig­keit“aberkannt. Dennoch wurde er in einer Strafkompa­nie an der Ostfront in Russland eingesetzt. Er geriet in Kriegsgefa­ngenschaft, aus der er 1945 nach Oberlennin­gen zurückkehr­te. 1949 wurde er Pfarrer in Zuffenhaus­en. 1958 trat er in den Ruhestand, am 21. September 1964 starb er in Korntal bei Stuttgart.

Botschafte­r Jeremy Issacharof­f würdigte bei der Übergabe der posthumen Auszeichnu­ng an den Sohn in der israelisch­en Botschaft in Berlin von Jans Einsatz als „leuchtende­s Beispiel für Integrität“. Als Mann Gottes habe er Juden in der dunkelsten Zeit ihrer Geschichte zur Seite gestanden: „Er tat, was jeder humane Mensch hätte tun sollen, und doch war er nur die Ausnahme.“

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