Kirchtürme im Ries
St. Jakob in Appetshofen: der Glockenreiche
Die protestantische Pfarrkirche St. Ja kob in Appetshofen wurde bereits im 12. Jahrhundert zum ersten Mal erwähnt, das Turmuntergeschoss entstand wohl Mitte des 13. Jahrhun derts, während der Turmoberbau exakt zu datieren ist, die Jahreszahl steht an der Außenwand: 1615. Bis dahin lief das Dach spitz zu, jetzt thront ein rot gedecktes, soge nanntes Glockendach über dem Ge bäude. Im Untergeschoss des Tur mes befindet sich der sehenswerte ro manische Chor mit Kreuzrippenge wölbe und zahlreichen uralten Wand bemalungen. Mittendrin steht der Altar, auch dieser eine außergewöhn lich schöne Arbeit. Auf den Turm kommt man von der anderen Seite, über den Dachboden des Kirchen schiffes, danach muss man sich durch ein schmales Loch zwängen, um ins Turminnere zu gelangen. Da wird es dann weiträumiger, viel Licht bekommt man allerdings nicht, die offenen Fenster gleichen eher Schießscharten. Schmale Holztrep pen führen um ein paar Ecken in die erste Glockenstube, die eigenarti gerweise leer ist, ein Stockwerk höher allerdings hängt der Himmel voller Glocken, so eng beieinan der, dass man sie nicht zählen kann, sondern ihre Zahl wissen muss: Neun. Dazu erzählt Pfarrer Reinhard Caesperlein eine sonderbare Geschichte. Nach dem zweiten Weltkrieg wa ren bis auf zwei kleine Exem plare alle Glocken zu Kanonen ge schmolzen wor den. Um den Verlust auszugleichen, handelte der damalige Pfarrer einen „Deal“mit dem Bochumer Verein (Glockengie ßer) aus, die in Appetshofen eine Musteranlage installierten und dafür Sonderkonditionen boten. Der Pfarrer „überredete“damalige Bür ger, die Angehörige im Krieg ver loren hatten, als „Schmerzlinderung“jeweils eine Glocke zu spenden. So kam die wohl einzigartige „Caril lon“Glockenformation in den Turm. Nur zur großen Bassglocke (Christusglocke, 4200 kg schwer) nebst zwei ganz kleinen „Cym bel“Glocken, die in der leeren Glockenstube ihren Platz hätten fin den sollen, ist es aus Geldmangel nicht gekommen. Trotz der seltsamen MarketingBemühungen.
Peter Urban